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Der Schatten erhebt sich

Der Schatten erhebt sich

Titel: Der Schatten erhebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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Deck, doch Elayne genoß die Brise und die Aufbruchstimmung. Reisen und Orte zu sehen, an denen sie noch nie zuvor gewesen war, machte ihr immer Spaß. Sie hatte das auch überhaupt nicht erwartet, jedenfalls nicht auf diese Art. Die Tochter-Erbin Andors machte gewöhnlich einige offizielle Staatsbesuche, und das würden später mehr werden, wenn sie den Thron bestieg, aber das Ganze war von Pomp und Zeremonien überlagert. Überhaupt nicht so, wie jetzt. Barfüßige Meerleute und ein Schiff, das in Richtung offenes Meer fuhr.
    Das Ufer glitt schnell vorbei, während die Sonne stieg. Gelegentlich erschien eine kleine Gruppe von steinernen Bauernhäusern und Scheunen, eintönig und einsam dazu, und verschwand wieder hinter ihnen. Aber keine Dörfer. Tear gestattete auch nicht das kleinste Dorf im Gebiet zwischen der Stadt und dem Meer, denn selbst ein kleiner Weiler könnte wachsen und eines Tages zur Konkurrenz für die Hauptstadt werden. Die Hochlords hielten die Größe und Ausdehnung von Dörfern und Kleinstädten im ganzen Land durch eine Gebäudesteuer unter Kontrolle. Je mehr Gebäude es wurden, desto höher wurde auch die Steuer. Elayne war sicher, daß man Godan an der Bucht von Remara das Aufblühen niemals gestattet hätte, wenn nicht die zwingende Notwendigkeit bestanden hätte, einen starken Außenposten an der Grenze nach Mayene zu besitzen. Auf gewisse Weise war sie erleichtert, einen solchen närrischen Staat hinter sich zu lassen. Wenn sie nur nicht gleichzeitig auch einen närrischen Mann hinter sich hätte lassen müssen.
    Die Anzahl der Fischerboote, meist klein und alle von Schwärmen hoffnungsfroher Möwen und anderer Fischervögel umflattert, nahm zu, je weiter nach Süden der Wogentänzer kam, besonders, als sie in das Gewirr von Mündungsarmen einfuhren, das man Finger des Drachen nannte. Oft waren nur die Vögel und die langen Stangen sichtbar, an denen die Netze hingen, und ansonsten war die Welt voller Schilf und scharfkantiger Grashalme, die sich im Wind krümmten, von grünen Wellen überlaufene Ebenen, aus denen hier und da niedrige Inseln aufragten, und auf den Inseln wiederum wuchsen eigenartig verkrümmte Bäume mit spinnenartigen Luftwurzeln. Viele Fischer arbeiteten direkt im Schilf, wenn auch ohne Netze. Einmal sah Elayne einige von ihnen in der Nähe eines offeneren Wasserlaufs. Die Männer und Frauen warfen Leinen mit Haken daran ins Wasser und zogen sich windende, armlange, schwarzgestreifte Fische heraus.
    Der tairenische Lotse begann, nervös auf und ab zu tigern, sobald sie sich im Delta befanden und die Sonne senkrecht über ihnen stand. Er rümpfte die Nase, als man ihm eine Schale mit dickem und nach Gewürzen duftenden Fischeintopf und einen Kanten Brot reichte. Elayne aß hungrig ihre Mahlzeit und wischte die Schale schließlich mit dem letzten Brocken Brot aus, obwohl sie natürlich seine Unruhe durchaus teilte. In jeder Richtung sah man sowohl breite wie auch schmale Wasserläufe, die sich durch das Schilfmeer zogen. Einige endeten ganz plötzlich noch in ihrer Sichtweite in einer wahren Schilfwand. Es gab keine Möglichkeit, zu erkennen, welcher der anderen Wasserläufe vielleicht nach der nächsten Biegung genauso verschwinden würde. Coine ließ aber trotzdem den Wogentänzer keineswegs langsamer segeln. Sie zögerte auch keinen Moment, wenn sie ihre Fahrrinne auswählen mußte. Offensichtlich kannte sie die Kanäle genau, die sie nehmen mußte, oder die Windsucherin kannte sie, aber der Lotse knurrte ständig in sich hinein, als erwarte er jeden Moment, daß sie auflaufen würden.
    Es war später Nachmittag, als mit einemmal die eigentliche Flußmündung vor ihnen auftauchte und dahinter die endlose Bläue des Meers der Stürme. Die Seeleute stellten irgend etwas mit den Segeln an, und bis auf ein leichtes Schaukeln lag das Schiff bewegungslos im Wasser. Erst dann bemerkte Elayne ein großes Ruderboot, das wie ein vielbeiniger Wasserläufer von einer Insel her auf sie zukam. Auf dieser Insel standen verloren ein paar Steingebäude um den Fuß eines hohen, schmalen Turms herum, auf dessen Spitze einige Männer unter einer Flagge mit den drei weißen Halbmonden Tears auf rotem und goldenem Feld zu sehen waren. Der Lotse nahm kommentarlos den Geldbeutel, den ihm Coine reichte, und kletterte eine Strickleiter hinab zu dem Ruderboot. Sobald er sich dort an Bord befand, wurden die Segel wieder herumgeschwenkt, und der Wogentänzer begab sich in die Umarmung der ersten

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