Der Schatten erhebt sich
auszuweichen. Dann stürzte er doch daneben zu Boden und verlor den Griff des Kessels aus der Hand. Ein dunkelhäutiger Mann, der das Haar zu Zöpfen geflochten trug, hob ein weiteres Schwert, bereit, ihn in Stücke zu hauen. Er krabbelte auf dem Rücken weg wie eine Spinne, den Blick auf die Schwertspitze gerichtet. Mit den Händen grabschte er nach allem, was sich in der Nähe befand, um den Mann abzuwehren - einen Stock vielleicht - irgend etwas. Seine Hand berührte rundes Holz. Er riß es herum und stieß damit nach dem wütenden Mann. Der riß die dunklen Augen auf, und das Schwert entfiel ihm. Blut quoll aus seinem Mund. Es war kein Stock gewesen, sondern ein Speer.
Lewin löste seine Hände vom Schaft, sobald er erkannte, was es war. Zu spät. Er kroch rückwärts, um den gestürzten Mann zu meiden, und mußte ihn doch zitternd anblicken. Ein toter Mann. Ein Mann, den er getötet hatte. Der Wind war mit einem Mal eiskalt.
Nach einer Weile wurde ihm bewußt, daß keiner der anderen Männer inzwischen versucht hatte, ihn zu töten. Er war überrascht, den Rest seiner Freunde um das Lagerfeuer herumstehen zu sehen. Gearan und Luca und Alijha standen da, atmeten schwer, und über ihren Staubschleiern leuchteten wilde Augen. Colline gab immer noch leises Wimmern unter ihren Decken von sich, und Maigran stand weiter da und starrte ins Leere. Charlin lag auf Knien da und umklammerte seine Beine. Und die vier Männer, die Dorfbewohner... Lewin blickte von einer leblosen, blutigen Gestalt zur anderen.
»Wir... haben sie getötet.« Lucas Stimme zitterte. »Wir... Gnade des Lichts, sei jetzt mit uns.« Lewin kroch zu Charlin hinüber und berührte ihn an der Schulter. »Bist du verletzt?« Charlin fiel vornüber. Rotglänzende Feuchtigkeit hatte seine Hände schlüpfrig gemacht. Er hatte den Griff des Messers gepackt, das in seinem Bauch steckte. »Es tut so weh, Lewin«, flüsterte er. Er schauderte kurz, und dann brachen seine Augen.
»Was sollen wir tun?« fragte Gearan. »Charlin ist tot, und wir... Licht, was haben wir getan? Was sollen wir machen?« »Wir bringen die Mädchen zu den Wagen zurück.« Lewin konnte seinen Blick nicht von Charlins toten Augen wenden. »Das machen wir.« Sie trugen alles Nützliche zusammen, vor allem den Kessel und die Messer. Man kam so schlecht an Metallwaren. »Wir können genausogut alles mitnehmen«, sagte Alijha mit rauher Stimme. »Sie haben es sicher von jemandem wie uns gestohlen.« Als Alijha sich bückte und eines der Schwerter aufheben wollte, hielt ihn Lewin davon ab. »Nein, Alijha. Das ist eine Waffe, die gemacht wurde, um Menschen zu töten. Sie ist sonst zu nichts zu gebrauchen.« Alijha sagte nichts, blickte nur die vier leblosen Körper an und die Speere, die Luca mit Decken umwickelte, um eine Trage für Charlins Leiche herzustellen. Lewin mied jeden Blick auf die Männer aus dem Dorf. »Mit einem Speer kann man das Fleisch zum Braten aufspießen, Alijha, doch ein Schwert hat außer zum Töten keinen Nutzen. Der Weg des Blatts verbietet es.« Alijha schwieg weiter, doch Lewin glaubte, er habe hinter seinem Schleier das Gesicht spöttisch verzogen. Doch als sie schließlich in die Nacht hinausgingen, blieben die Schwerter neben den verglühenden Kohlen und den toten Männern liegen.
Es war ein langer Marsch durch die Dunkelheit zurück. Sie schleppten schwer an der provisorischen Trage, auf der Charlins Leiche lag. Manchmal wirbelte der Wind lange Staubfahnen auf, die sie zum Husten brachten. Maigran stolperte mit. Sie blickte stur geradeaus, wußte nicht, wo sie war und wer sie waren. Colline schien vor allen schreckliche Angst zu haben, selbst vor ihrem Bruder. Sie zuckte zusammen, sobald jemand sie berührte. So hatte sich Lewin ihre Rückkehr nicht vorgestellt. In seiner Phantasie hatten die Mädchen gelacht, waren glücklich gewesen über ihre Rückkehr zu den Wohnwagen. Alle hatten sie gelacht. Und nicht Charlins Leiche heimgetragen. Sie waren nicht niedergeschlagen gewesen durch das, was sie getan hatten.
Der Schein der Lagerfeuer kam in Sicht und dann die Wohnwagen. Die Männer hatten bereits die Pferdegeschirre für den nächsten Morgen bereitgelegt. Niemand verließ nach Einbruch der Dunkelheit das Lager, also war Lewin ziemlich überrascht, als er drei Gestalten auf sie zukommen sah. Adans weißes Haar zeichnete sich in der Dunkelheit deutlich ab. Die anderen beiden waren Nerrine, Collines Mutter, und Saralin, seine und Maigrans Mutter. Lewin
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