Der Schatten erhebt sich
haben vor, diesen sicheren Ort zu finden. Und auch die Lieder. So ist es!« Ein Krachen ließ Adans Kopf herumschnellen. Weitere Anhänger Sulwins entluden einen der Wagen, und eine große, niedrige Kiste war herausgefallen und aufgebrochen. Etwas, das wie eine Tür aus glänzendem, dunkelroten Sandstein aussah, lag drinnen. Auch andere Wagen wurden entladen. Weitere Freunde und Anhänger Sulwins erledigten das. Wenigstens ein Viertel der Menschen, die er sah, arbeiteten hart daran, alles auszuladen bis auf Lebensmittel und Wasser.
»Versuche nicht, uns aufzuhalten«, warnte Sulwin.
Adan entkrampfte erneut seine Faust. »Ihr seid keine Aiel«, sagte er. »Ihr verratet alles. Was ihr auch sein mögt, Aiel seid ihr nicht mehr!« »Wir halten uns genau wie du an den Weg des Blattes, Adan.« »Geht!« schrie Adan. »Geht! Ihr seid keine Aiel! Ihr seid verloren! Verloren! Ich will euch nicht mehr sehen! Geht!« Sulwin und die anderen stolperten beinahe davon.
Sein Herz wurde immer schwerer, als er die Wagen und die im Unrat herumliegenden Toten anblickte. So viele Tote, so viele Verwundete, die dalagen und stöhnten, während man sie verband und tröstete. Sulwin und die anderen Verlorenen verhielten sich beim Ausladen recht vorsichtig. Die Männer mit den Schwertern hatten viele Kisten aufgebrochen, bis ihnen klar wurde, daß sich weder Gold noch Lebensmittel darin befanden. Lebensmittel waren wertvoller als Gold. Adan betrachtete den steinernen Türrahmen, die herumliegenden Steinskulpturen und die eigenartigen Kristallgegenstände, die zwischen den Tonkrügen und anderem standen, für die Sulwins Leute keine Verwendung hatten. Konnte man überhaupt irgend etwas davon gebrauchen? Galt all ihre Treue und Hingabe nur der Erhaltung solchen Krams? Aber selbst wenn es so sein sollte, dann war es eben so. Einiges davon konnte gerettet werden. Er konnte wohl nicht feststellen, was den Aes Sedai am wichtigsten sei, aber einiges konnte gerettet werden.
Er sah, wie sich Maigran und Lewin an den Rock ihrer Mutter klammerten. Er war froh, daß Saralin am Leben geblieben war und sie weiter aufziehen konnte. Sein letzter Sohn, ihr Mann und der Vater ihrer Kinder, war am Morgen vom allerersten Pfeil durchbohrt worden. Einige von den anderen konnten ebenfalls gerettet werden. Er würde die Aiel retten, was es ihn auch kostete.
Er kniete nieder und nahm Siedre in die Arme. »Wir sind immer noch treu, Aes Sedai«, flüsterte er. »Wie lange werden wir Euch die Treue halten müssen?« Er legte den Kopf auf die Brust seiner toten Frau und weinte.
Tränen standen in Rands Augen. Fast lautlos hauchte er: »Siedre.« Der Weg des Blattes? Das war keine Aiel-Religion. Er konnte einfach nicht klar denken; er konnte beinahe gar nicht denken. Die Lichter wirbelten schneller und schneller. Neben ihm hatte Muradin den Mund zu einem lautlosen Heulen geöffnet. Die Augen des Aiel quollen heraus, als beobachte er den Tod aller Welt. Sie traten nebeneinander einen Schritt vor.
Jonai stand am Rande der Klippe und blickte nach Westen über das im Sonnenschein glänzende Meer. Zweihundert Meilen in dieser Richtung lag Comelle. Hatte Comelle gelegen. Comelle hatte am Abhang der Berge über dem Meer gelegen. Zweihundert Meilen westlich, wo jetzt nur noch die See wogte. Vielleicht wäre alles leichter zu ertragen gewesen, wenn Alnora noch lebte. Ohne ihre Träume wußte er kaum mehr, wohin er ziehen und was er anfangen sollte. Ohne sie war das Leben kaum noch lebenswert. Er fühlte jedes graue Haar auf seinem Kopf, als er sich abwandte, um zurück zu den Wohnwagen zu schlurfen, die eine Meile entfernt warteten. Es waren nun weniger Wagen, und sie sahen langsam abgenutzt aus. Auch weniger Menschen - ein paar tausend, wo es vorher Zehntausende gewesen waren. Aber zu viele für die übriggebliebenen Wagen. Niemand ritt mehr, außer den Kindern, die zu jung zum Laufen waren.
Adan kam ihm am ersten Wagen entgegen. Er war ein hochgewachsener junger Mann mit viel zu mißtrauischem Blick. Jonai erwartete immer noch, Willim zu sehen, wenn er sich nur schnell genug umdrehte. Aber Willim hatte man natürlich schon vor Jahren weggeschickt, als er begonnen hatte, die Macht zu benutzen, gleich, wie sehr er sich selbst dagegen wehrte. Es gab immer noch zu viele Männer auf der Welt, die mit der Macht umgehen konnten. Sie mußten manchmal sogar schon Jungen wegschicken, wenn sie die Anzeichen bemerkten. Sie mußten einfach. Und doch wünschte er sich seine Kinder
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