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Der Schatten erhebt sich

Der Schatten erhebt sich

Titel: Der Schatten erhebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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etwas antun.
    Die langstielige Pfeife in den Mundwinkel geklemmt, öffnete Mat seine Jacke ein bißchen weiter und versuchte, sich auf die Karten, die verdeckt vor ihm lagen, und die auf den Tisch geworfenen Münzen zu konzentrieren. Er hatte sich die leuchtend rote Jacke im für Andor typischen Schnitt anfertigen lassen, aus bester Wolle, mit goldenen Stickereien an Manschetten und Kragen, aber jeden Tag wurde er aufs neue daran erinnert, daß Tear eben doch viel weiter südlich lag als Andor. Der Schweiß lief ihm über das Gesicht, und das Hemd klebte an seinem Rücken.
    Keiner seiner Mitspieler am Tisch schien die Hitze überhaupt zu bemerken, obwohl ihre Jacken noch dicker schienen als seine mit ihren weiten Puffärmeln, dem Futter und den Verzierungen aus Seide, Brokat und Satin. Zwei Männer in roter und goldener Livree sorgten dafür, daß die silbernen Becher der Spieler immer mit Wein gefüllt waren, und boten ihnen dazwischen glänzende Silberschalen mit Oliven, Käse und Nüssen an. Auch die Diener waren von der Hitze unbeeindruckt. Nur manchmal gähnte einer von ihnen hinter vorgehaltener Hand, wenn er glaubte, daß gerade niemand hersah. Die Nacht war nicht mehr jung.
    Mat ließ seine Karten liegen, wie sie waren, ohne nochmals nachzusehen. Sie konnten sich wohl kaum geändert haben. Drei Könige, die höchsten Karten bei drei von fünf Farben waren schon gut genug, um zu gewinnen.
    Er hätte sich beim Würfelspiel wohler gefühlt. An den Orten, wo er gewöhnlich spielte, fand man nur selten Karten vor. Statt dessen wechselte Silber die Besitzer bei fünfzig verschiedenen Würfelspielen. Doch diese jungen Lordchen aus Tear trugen lieber Lumpen, als daß sie würfelten. Bauern spielen mit Würfeln, meinten sie, aber sie sagten das lieber nicht in seiner Hörweite. Sie fürchteten nicht seinen Zorn, wohl aber diejenigen, die sie als seine Freunde betrachteten. So spielten sie dieses Spiel, das sie Hacken nannten, Stunde um Stunde, Abend auf Abend. Sie benützten handgemalte Karten dazu. Ein Mann in der Stadt fertigte sie an, und diese Burschen hier und andere von ihrer Sorte hatten ihn reich gemacht. Nur Frauen oder Pferde konnten sie von diesem Spiel weglocken, und das auch nur für kurze Zeit.
    Trotzdem hatte er das Spiel schnell genug erlernt, und wenn sein Glück auch nicht so ausgeprägt war wie beim Würfeln, war es doch nicht schlecht. Neben seinen Karten lag ein fetter Geldbeutel, und ein noch dickerer steckte in seiner Tasche. Damals in Emondsfeld hätte er sich damit für reich gehalten, und es hätte wohl auch genügt, um den Rest seines Lebens im Luxus zu verbringen. Doch seine Auffassung von Luxus hatte sich seit der Abreise von den Zwei Flüssen wesentlich geändert. Die jungen Lords ließen ihre Münzen achtlos als funkelnde Häufchen herumliegen, doch er änderte seine alte Gewohnheit nicht. In den Tavernen und Schenken war es manchmal notwendig, sehr schnell zu verschwinden. Besonders dann, wenn sein Glück am ausgeprägtesten war.
    Wenn er genug hatte, um den Lebenswandel zu führen, den er im Sinn hatte, würde er den Stein genauso schnell verlassen - bevor Moiraine etwas davon ahnte. Er wäre jetzt schon mehrere Tagesreisen entfernt, wenn es nach ihm ginge. Aber hier gab es eben einiges an Gold zu gewinnen. Eine Nacht an diesem Tisch konnte ihm mehr einbringen als eine Woche beim Würfeln in den Tavernen. Wenn er Glück hatte.
    Er runzelte ein wenig die Stirn und zog besorgt an seiner Pfeife, um den Eindruck zu erwecken, seine Karten seien doch vielleicht nicht gut genug. Auch zwei der jungen Lords hatten Pfeifen zwischen den Zähnen, doch ihre waren mit Silber eingelegt und mit Bernsteinstückchen verziert. In der heißen, unbewegten Luft roch es durch ihren parfümierten Tabak wie ein Feuer im Boudoir einer Lady. Nicht, daß Mat jemals im Boudoir einer Lady gewesen wäre. Eine Krankheit, die ihn beinahe umgebracht hätte, hatte Lücken in seinem Gedächtnis hinterlassen, so groß wie Scheunentore, aber er war sicher, daß er sich an so etwas hätte erinnern können. Nicht einmal der Dunkle König wäre so gemein, mich das vergessen zu lassen.
    »Schiff der Meerleute hat heute angelegt«, murmelte Reimon über seinen Pfeifenstiel hinweg. Der Bart des breitschultrigen jungen Lords war eingeölt und ganz spitz zurechtgestutzt. Das war unter den jüngeren Adligen gerade große Mode, und Reimon war neuen Moderichtungen gegenüber genauso empfänglich wie für Frauen. Und das betrieb er

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