Der Schatten erhebt sich
dann kaum weniger gründlich als das Kartenspiel. Er warf eine Silberkrone auf den Haufen in der Mitte der Tischplatte, um eine weitere Karte zu kaufen. »Eine Brigg. Die schnellsten Schiffe, die es gibt, sagt man. Fahren schneller als der Wind, sagt man. Das würde ich gern erleben. Seng meine Seele, es würde mir Spaß machen.« Er sah die Karte gar nicht an, die er bekam. Das tat er nie, bis er alle fünf zusammenhatte.
Der mollige Mann mit den rosa Wangen zwischen Reimon und Mat schmunzelte amüsiert. »Du willst das Schiff sehen, Reimon? Du meinst doch sicher damit eher die Mädchen, oder? Die Frauen. Exotische Meervolk-Schönheiten mit ihren Ringen und Halsketten und dem beschwingten Gang, eh?« Er legte eine Krone auf und nahm seine Karte entgegen. Als er sie betrachtete, verzog er grimmig sein Gesicht. Das hatte aber nichts zu bedeuten; Edorions Blätter waren immer niedrig und paßten nicht zusammen. Trotzdem gewann er öfter, als daß er verlor. »Na ja, vielleicht habe ich bei den Meermädchen auch mehr Glück.« Der Bankhalter, ein großer, schlanker Mann mit einem noch spitzeren Bart als Reimon, der an Mats anderer Seite saß, legte sich einen Finger auf die Nase. »Glaubst du, daß du bei denen Glück haben wirst, Edorion? So, wie die sich von allen anderen fernhalten, brauchst du schon Glück, um wenigstens ihr Parfum riechen zu können.« Er wedelte mit der Hand und tat so, als atme er genüßlich den Duft ihres Parfums ein; die anderen jungen Adligen lachten nur, selbst Edorion.
Ein Junge mit wenig ansprechendem Gesicht namens Estean lachte am lautesten von allen und fuhr mit einer Hand durch sein dünnes Haar, das ihm immer wieder in die Stirn fiel. Hätte man seine feine gelbe Jacke durch eine aus grober Wolle ersetzt, dann hätte er sehr wohl ein Bauer sein können und nicht der Sohn eines Hochlords mit den reichsten Gütern von ganz Tear. Doch so war er bereits selbst der reichste Mann an diesem Spieltisch. Er hatte außerdem mehr Wein getrunken als jeder andere.
Er beugte sich schwankend über den Mann neben ihm, einen eingebildeten Kerl namens Baran, der immer auf alle anderen herunterzuschauen schien, und piekste den Bankhalter mit einem zitternden Finger in die Seite. Baran lehnte sich zurück und verzog angewidert seinen Mund um den Pfeifenstiel herum, als fürchte er, daß Estean sich über ihm übergeben werde.
»Das ist gut, Carlomin«, gurgelte Estean. »Das denkst du doch auch, was, Baran? Edorion kriegt nicht mal ihr Parfum mit. Wenn er sein Glück versuchen will... ein Spielchen wagen... dann soll er sich mal an diese Aielschlampen heranmachen wie Mat hier. All diese Speere und Messer. Seng meine Seele. Als ob man einen Löwen zum Tanz auffordert.« Es wurde totenstill am Tisch. Estean war der einzige, der über seinen Scherz lachte. Dann blinzelte er und fuhr sich wieder mit den Fingern durch das fettige Haar. »Was ist los? Habe ich was gesagt? Oh! O ja. Die!« Mat konnte sich gerade noch zurückhalten, bevor sich seine Miene zu sehr verfinsterte. Dieser Narr mußte das Gespräch auf die Aiel bringen. Das einzige noch schlimmere Gesprächsthema wären die Aes Sedai gewesen.
Da war es ihnen noch lieber, wenn Aiel durch die Gänge schritten und auf jeden Tairener herunterblickten, der ihnen nicht rechtzeitig auswich, als auch nur eine einzige Aes Sedai hierzuhaben. Und die Männer glaubten, daß sie zumindest vier davon mitgebracht hätten. Er zog eine andoranische Silberkrone aus dem Geldbeutel und schob sie zu dem Haufen hin. Carlomin rückte bedächtig eine neue Karte heraus.
Mat hob sie vorsichtig mit einem Daumennagel an und zwang sich dazu, nicht einmal mit der Wimper zu zucken. Der Herr der Pokale, ein Hochlord von Tear. Die Könige in einem Spiel richteten sich nach dem Land, in dem die Karten hergestellt worden waren, und der Herrscher in einem Land war immer Herr der Pokale, die höchste Karte also. Diese Karten hier waren alt. Er hatte bereits neue gesehen mit Rands Gesicht oder etwas Ähnlichem auf dem Herrn der Pokale und sogar mit der Drachenflagge darauf. Rand als Herrscher von Tear, das erschien ihm immer noch so lächerlich, daß er in Versuchung war, sich zu kneifen, um aufzuwachen. Rand war Schafhirte, ein prima Bursche, mit dem man sich prächtig amüsieren konnte, wenn er nicht gerade zu ernsthaft und pflichtbewußt tat. Rand nun als Wiedergeborenen Drachen ansehen zu müssen, das machte ihn zum kompletten Idioten, wenn er hier hockenblieb, wo Moiraine ihn
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