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Der Schatten erhebt sich

Der Schatten erhebt sich

Titel: Der Schatten erhebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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ihm damals, daß sie noch nie davon gehört habe, irgendein Mann würde je darum bitten, den Kuß einer Jungfrau spielen zu dürfen.
    Carlomin strich sich über den Bart und sprach in Mats Zögern hinein: »Du kannst jetzt nicht einfach aufhören. Erzähl weiter! Wann war das? Ich wette, vor zwei Nächten. Als du nicht zum Spielen gekommen bist und keiner wußte, wo du warst.« »In dieser Nacht habe ich mit Thom Merrilin gespielt«, sagte Mat schnell. »Das ist schon Tage her.« Er war froh, lügen zu können, ohne eine Miene zu verziehen. »Jede von ihnen mußte ich küssen. Das war alles. Wenn sie der Meinung war, es sei ein guter Kuß gewesen, haben sie die Speere ein Stück zurückgezogen. Wenn nicht, drückten sie ein bißchen fester damit zu, sozusagen um mich zu ermuntern. Das war alles. Ich kann euch sagen: Ich habe beim Rasieren schon mehr abbekommen.« Er steckte sich wieder die Pfeife zwischen die Zähne.
    Wenn sie mehr wissen wollten, konnten sie ja hingehen und das Spiel selber spielen. Er hoffte beinahe, daß vielleicht ein paar von ihnen dumm genug wären. Verfluchte Aielfrauen und ihre verdammten Speere! Er war erst bei Tagesanbruch wieder ins eigene Bett gekommen.
    »Das würde mir ganz gewiß reichen«, sagte Carlomin trocken. »Das Licht soll meine Seele verbrennen, wenn es mir nicht gereicht hätte.« Er warf eine Silberkrone auf den Tisch und holte sich eine neue Karte. ›Kuß einer Jungfrau.‹ Er schüttelte sich vor Lachen, und eine neue Welle des Gelächters schwappte über den ganzen Tisch hinweg.
    Baran kaufte seine fünfte Karte, und Estean zog mit zittrigen Fingern eine Münze aus dem Stapel vor ihm. Er blickte sie angestrengt an, um festzustellen, was für eine es sei. Jetzt würden sie nicht mehr aufhören.
    »Wilde«, murmelte Baran mit der Pfeife im Mund. »Unwissende Wilde. Das ist alles, seng meine Seele. Leben in Höhlen draußen in der Wüste. In Höhlen! Niemand außer einem Wilden würde dort draußen in der Wüste leben wollen.« Reimon nickte. »Wenigstens dienen sie dem Lord Drachen. Wenn das nicht wäre, würde ich hundert Verteidiger nehmen und den Stein von ihnen befreien.« Baran und Carlomin nickten nachdrücklich zu seinen Worten.
    Es bereitete Mat einige Mühe, keine Miene zu verziehen. Er hatte dasselbe schon öfters gehört. Angeben war leicht, wenn niemand von einem verlangte, auch wirklich zu seinem Wort zu stehen. Hundert Verteidiger? Selbst wenn sich Rand aus irgendeinem Grund aus allem heraushalten sollte, wären die paar hundert Aiel in der Lage, den Stein gegen jedes Heer zu verteidigen, das Tear auf die Beine bringen konnte. Nicht, daß sie es auf den Stein abgesehen hatten. Mat vermutete, sie seien nur da, weil eben Rand hier war. Er glaubte nicht, daß irgendeiner dieser jungen Adligen auf diese Idee gekommen war. Sie ignorierten die Aiel soweit wie möglich. Außerdem hätte dieser Gedanke sie auch nicht gerade beruhigt.
    »Mat.« Estean fächerte die Karten in seiner Hand auf und steckte sie dann um, als könne er sich nicht entschließen, wohin sie gehörten. »Mat, du wirst doch mit dem Lord Drachen sprechen, oder?« »Worüber?« fragte Mat mißtrauisch. Zu viele dieser Leute aus Tear wußten mittlerweile, daß Rand und er zusammen aufgewachsen waren. Das paßte ihm nicht. Sie schienen sich vorzustellen, daß er Arm in Arm mit Rand herumlief, wenn sie nicht hinsahen. Keiner von denen hätte seinen eigenen Bruder noch angesehen, wenn der die Macht benutzen könnte. Er wußte nicht, warum sie ihn als noch größeren Narren betrachteten.
    »Hab' ich es nicht gesagt?« Der Mann mit dem abstoßenden Gesicht blinzelte seine Karten an und kratzte sich am Kopf. Dann hellte sich seine Miene auf. »O ja. Seine Proklamation, Mat. Was der Lord Drache gesagt hat. Das letztemal. Wo er gesagt hat, Gemeine hätten das Recht, Lords vor dem Magistrat anzuklagen. Wer hat je so etwas gehört, daß ein Lord vor den Magistrat gerufen wird? Und das wegen irgendeinem Bauern!« Mats Hand verkrampfte sich um den Geldbeutel, bis die Münzen darin aneinander knirschten. »Wäre es nicht eine Schande«, sagte er leise, »wenn man dich vor Gericht bringen und verurteilen würde, bloß, weil du es mit der Tochter eines Fischers getrieben hast, obwohl sie nicht wollte, oder weil du irgendeinen Bauern hast auspeitschen lassen, weil er Schlamm auf deinen Umhang gespritzt hatte?« Die anderen rutschten unruhig auf ihren Stühlen umher, weil sie seine Stimmung spürten, aber Estean

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