Der Schatten erhebt sich
»und... « Mit einemmal warf sie sich auf ihn, umarmte ihn ungestüm, und es regnete Küsse auf seinen Hals und Bart. Genauso schnell ging sie jedoch wieder auf Abstand und strich ihm mit den Händen über Brust und Arme. »Bist du verletzt? Tut dir was weh? Hat sie...?« »Mir geht's gut«, sagte er. »Aber was ist mit dir? Ich wollte dir keine Angst einjagen.« Sie spähte zu ihm hoch. »Wirklich? Du bist kein bißchen verletzt?« »Vollkommen unverletzt. Ich...« Eine beherzte Ohrfeige ließ seinen Kopf dröhnen wie einen Amboß.
»Du großer, haariger Ochse! Ich habe geglaubt, du wärst tot! Ich fürchtete, daß sie dich umgebracht hat! Ich dachte... « Sie brach ab, als er ihren zweiten Schlag gerade noch abfing.
»Tu das bitte nie wieder«, sagte er ruhig. Ihr Handabdruck brannte auf seiner Wange, und er hatte das Gefühl, sein Kiefer würde wohl den Rest der Nacht über schmerzen.
Er hatte ihr Handgelenk so zart ergriffen, wie einen ängstlichen Vogel, doch so sehr sie sich auch mühte, ihre Hand aus seinem Griff zu winden: seine Hand rührte sich nicht vom Fleck. Wenn er daran dachte, wie er in der Schmiede den ganzen Tag einen Hammer schwang, dann kostete es ihn überhaupt keine Mühe, sie festzuhalten, nicht einmal nach seinem Kampf gegen die Axt. Plötzlich schien sie aufzugeben und sah ihm in die Augen. Weder die dunklen, noch die goldenen Augen blinzelten. »Ich hätte dir helfen können. Du hattest kein Recht... « »Ich hatte jedes Recht dazu«, sagte er mit fester Stimme. »Du hättest mir nicht helfen können. Wärst du geblieben, wären wir beide jetzt tot. Ich hätte nicht kämpfen -jedenfalls nicht so, wie es sein mußte - und dich gleichzeitig beschützen können.« Sie öffnete den Mund, aber er erhob die Stimme und fuhr fort: »Ich weiß, daß du das haßt. Ich werde mich auch nach besten Kräften bemühen, dich nicht wie eine Porzellanpuppe zu behandeln, aber wenn du von mir verlangst, daß ich zuschaue, wie du stirbst, werde ich dich vorher verschnüren wie ein Lamm, das zum Markt gebracht wird, und dann schicke ich dich zu Frau Luhhan. Sie wird solchen Unsinn gar nicht erst aufkommen lassen.« Während er mit der Zunge vorsichtig gegen einen Zahn drückte, um festzustellen, ob er lose saß, wünschte er sich beinahe, zuschauen zu können, wie Faile sich gegen Alsbet Luhhan durchzusetzen versuchte. Die Frau des Schmieds wurde mit ihrem Mann genauso leicht fertig wie mit ihrem Haushalt. Selbst Nynaeve hatte ihre spitze Zunge in der Nähe von Frau Luhhan im Zaum gehalten. Der Zahn wackelte nicht, stellte er fest.
Faile lachte plötzlich. Es war ein tiefes, kehliges Lachen. »Das bringst du tatsächlich fertig, ja? Aber glaube nicht, daß du mit dem Dunklen König genauso leicht fertig würdest.« Perrin war so überrascht über ihre Äußerung, daß er ihr Handgelenk losließ. Er sah eigentlich keinen großen Unterschied zwischen dem, was er vorher gesagt hatte, und dem gerade eben, aber das erste hatte sie hochgehen lassen, während sie das letztere... gutmütig hinnahm. Er war auch nicht ganz sicher, wie sauer sie vielleicht noch reagieren mochte. Schließlich trug sie immer versteckte Messer mit sich herum, und sie wußte sehr gut damit umzugehen.
Sie rieb sich betont das Handgelenk und knurrte leise etwas. Er verstand die Worte ›haariger Ochse‹ und beschloß, daß er jede noch so kleinen Bartstoppel abrasieren würde. Ganz bestimmt.
Laut sagte sie: »Diese Axt. Das war er, nicht wahr? Der Wiedergeborene Drache, der versucht hat, uns zu töten.« »Es muß Rand gewesen sein.« Er betonte den Namen. Er wollte von Rand als nichts anderem denken. Er zog es auch vor, sich an den Rand zu erinnern, mit dem zusammen er in Emondsfeld aufgewachsen war. »Aber er hat nicht versucht, uns zu töten. Er nicht.« Sie lächelte ihn krampfhaft an. Es war schon beinahe eine Grimasse. »Wenn er es vorhin nicht bewußt versucht hat, dann hoffe ich, er wird es niemals tun.« »Ich weiß nicht, was er angestellt hat. Aber ich habe vor, ihm zu sagen, daß er damit aufhören soll, und zwar sofort.« »Ich weiß nicht, warum ich mir Gedanken um einen Mann mache, der so sehr um die eigene Sicherheit besorgt ist«, murmelte sie.
Er sah sie mit gerunzelter Stirn fragend an, da ihm nicht klar war, wie sie das gemeint hatte, doch sie schob nur einfach ihren Arm unter seinen. Er wunderte sich noch immer, als sie durch den Stein schritten. Er ließ die Axt, wo sie war. In der Tür steckend würde sie niemandem
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