Der Schatten erhebt sich
Berelain, die Herrscherin des Stadtstaates Mayene, war die letzte Person, die er hier zu sehen erwartet hatte.
Zuerst fuhr sie zusammen und riß die Augen auf, doch dann machte sie einen tiefen, graziösen Knicks, bei dem sich ihr Umhang noch straffte. »Ich bin unbewaffnet, Lord Drache. Ich unterwerfe mich Eurer Untersuchung, wenn Ihr an meinen Worten zweifelt.« Ihr Lächeln machte ihn nervös und darauf aufmerksam, daß er nichts als Unterwäsche an hatte.
Ich will versengt sein, wenn ich ihretwegen herumrenne und versuche, mir etwas anzuziehen. Der Gedanke schwebte jenseits des Nichts. Ich habe sie nicht gebeten, zu mir hereinzukommen. Sich einzuschleichen! Auch Ärger und Verlegenheit trieben am Rande der Leere entlang, doch er errötete trotzdem, war sich dessen auch vage bewußt, und dieses Bewußtsein trieb ihm die Röte noch tiefer ins Gesicht. So kaltblütig und ruhig innerhalb des Nichts, aber draußen... Er nahm jeden einzelnen Schweißtropfen wahr, der ihm über Brust und Rücken rann. Es kostete ihn ungeheure Mühe und Willenskraft, hier vor ihren Augen stehenzubleiben. Sie durchsuchen? Licht, hilf mir!
Er entspannte sich und ließ das Schwert verschwinden, doch den engen Strom, der ihn mit Saidin verband, unterbrach er noch nicht. Das war so, als trinke er aus einem Loch im Deich, obwohl der ganze Dammbau nachgeben wollte. Und das Wasser war süß wie Honigwein und machte ihn krank wie ein Bach, der sich aus einem Misthaufen ergoß.
Er wußte nicht viel über diese Frau, nur, daß sie durch den Stein schritt, als sei es ihr Palast in Mayene. Thom sagte, die Erste von Mayene stelle pausenlos Fragen an jedermann, vor allem aber erkundige sie sich überall nach Rand. Was vielleicht ganz normal war, wenn man bedachte, was er war, doch leichter machte es ihm die Sache nicht. Und sie war nicht nach Mayene zurückgekehrt. Das war unnatürlich. Sie war monatelang praktisch gefangen gehalten worden, auch wenn man es nicht so nannte, bis er ankam - abgeschnitten von ihrem Thron und der Herrschaft über ihr kleines Volk. Die meisten Menschen hätten in ihrer Lage die erste Gelegenheit ergriffen, um vor einem Mann wegzulaufen, der die Macht benutzte.
»Was macht Ihr hier?« Er wußte, das klang grob, aber es war ihm gleich. »Als ich schlafen ging, standen Aiel an meiner Tür Wache. Wie seid Ihr an ihnen vorbeigekommen?« Berelains Lächeln verstärkte sich noch etwas. Rand schien es, als sei es im Raum noch ein wenig heißer geworden. »Sie haben mich sofort durchgelassen, als ich sagte, der Lord Drache habe mich zu sich bestellt.« »Bestellt? Ich habe niemanden zu mir bestellt.« Hör auf damit, sagte er sich. Sie ist Königin oder beinahe so etwas. Du weißt ebensoviel über den Umgang mit Königinnen wie über das Fliegen. Also bemühte er sich, höflich zu sein, nur, wußte aber nicht einmal, wie man die Erste von Mayene anredete. »Lady...« Das mußte eben reichen. »... warum sollte ich Euch um diese Zeit in der Nacht zu mir bestellen?« Sie lachte mit tiefer, wohltönender Stimme - ein kehliges Lachen. Sogar in das Nichts gehüllt, schien es ihn zu erregen, sträubten sich ihm die Härchen auf Armen und Beinen. Plötzlich wurde ihm ihr durchscheinendes, enges Gewand erst richtig bewußt, und er spürte, wie er erneut rot anlief. Sie kann doch nicht meinen... Oder doch? Licht, ich habe mit ihr doch noch keine zwei Worte gesprochen.
»Vielleicht möchte ich mich mit Euch unterhalten, mein Lord Drache.« Sie ließ die helle Robe zu Boden fallen und enthüllte ein noch dünneres weißes Seidengewand darunter, das man kaum noch Nachthemd nennen konnte. Ihre Schultern waren nun völlig unbedeckt, und ein großer Teil ihres weißen Busens bot sich nun seinen Blicken dar. Er ertappte sich bei der Frage, was diesen Busen wohl hielt. Es fiel ihm schwer, nicht zu deutlich hinzustarren. »Ihr seid weit weg von zu Hause, genau wie ich. Besonders die Nächte sind einsam.« »Morgen werde ich mich glücklich schätzen, mit Euch zu reden.« »Aber den Tag über seid Ihr von Leuten umgeben. Bittsteller. Hochlords. Aiel.« Sie schauderte. Er sagte sich, er solle eigentlich nun woandershin schauen, aber genausogut hätte er das Atmen aufgeben können. Noch niemals zuvor, wenn er sich im Nichts befand, hatte er seine körperlichen Reaktionen so deutlich zu spüren bekommen. »Die Aiel ängstigen mich, und ich mag keinen dieser Lords aus Tear.« Das mit den Tairenern nahm er ihr ab, aber andererseits glaubte er nicht,
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