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Der Schatten erhebt sich

Der Schatten erhebt sich

Titel: Der Schatten erhebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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Speers, Aielfrauen, die sich gegen den Herd und für das Leben eines Kriegers entschieden hatten, glitten auf weichen, kniehoch geschnürten Stiefeln zwischen ihn und die Tür. Es waren hochgewachsene Frauen. Die größte war kaum eine Handbreit kleiner als er, sonnengebräunt, mit kurzgeschnittenem Haar, dessen Farbe irgendwo zwischen blond und rot lag. Zwei von ihnen hielten gekrümmte Hornbögen in der Hand und hatten die Pfeile aufgelegt. Die anderen trugen kleine Lederschilde und jede von ihnen drei oder vier kurze Speere. Die Schäfte waren kurz, aber die Spitzen lang genug, um sich ganz und gar durch den Körper eines Mannes hindurchzubohren und noch ein Stück herauszuragen.
    »Ich glaube nicht, daß ich Euch einlassen kann«, sagte eine Frau mit flammenfarbigem Haar. Aber sie lächelte leicht dabei. Die Aiel grinsten nicht so oft wie andere Leute und zeigten auch sonst äußerlich kaum Gefühlsbewegungen. »Ich glaube, heute nacht will er niemanden sehen.« »Ich gehe hinein, Bain.« Er ignorierte die Speere und packte sie an den Oberarmen. In diesem Moment allerdings konnte er die Speere nicht mehr ignorieren, da eine Speerspitze seinen Hals an der Seite berührte. Und dann hatte er auch noch plötzlich den Speer einer etwas blonderen Frau namens Chiad an der anderen Seite, als wollten sich die beiden irgendwo in der Mitte seines Halses treffen. Die anderen Frauen sahen lediglich zu, da sie sicher waren, daß Bain und Chiad mit allem fertig würden, was zu tun sei. Aber er gab sich trotzdem alle Mühe. »Ich habe keine Zeit, mich mit euch herumzustreiten. Allerdings hört ihr ja sowieso nicht auf die Argumente anderer Leute, wie ich sehr gut weiß. Ich gehe jetzt rein.« So sanft er nur konnte, hob er Bain hoch und setzte sie an der Seite ab, so daß sein Weg frei war.
    Chiad hätte nur auf ihren Speer hauchen müssen und es wäre Blut geflossen, aber nach einem überraschten Blick aus ihren aufgerissenen dunkelblauen Augen nahm Bain plötzlich ihren Speer von seinem Hals und grinste ihn an. »Möchtet Ihr gern ein Spiel lernen, das man den ›Kuß einer Jungfrau‹ nennt, Perrin? Ich glaube, Ihr könntet das sehr gut. Und zumindest würdet Ihr einiges lernen.« Eine der anderen lachte laut los. Chiads Speerspitze schwenkte beiseite.
    Er atmete tief durch und hoffte, es möge ihnen nicht auffallen, daß es sein erster Atemzug war, seit die Speerspitzen ihn berührt hatten. Sie hatten ihre Gesichter nicht verschleiert. Ihre Schufas hatten sie wie dunkle Halstücher umgebunden. Aber er wußte nicht, ob die Aiel das unbedingt tun mußten, bevor sie jemanden töteten. Was er wußte, war lediglich, daß ihr Verschleiern bedeutete, sie seien kampfbereit.
    »Ein andermal vielleicht«, sagte er höflich. Sie grinsten nun alle, als habe Bain etwas Lustiges gesagt und als sei sein Unverständnis ein Teil des Grundes ihrer Belustigung. Thom hatte recht. Ein Mann konnte wirklich verrückt werden, wenn er die Frauen verstehen lernen wollte, gleich aus welchem Land oder aus welcher sozialen Schicht sie stammten. Das hatte Thom schon oft behauptet.
    Als er nach dem Türknauf in Gestalt eines sich aufbäumenden goldenen Löwen griff, fügte Bain hinzu: »Auf Eure eigene Verantwortung. Er hat bereits hinausgescheucht, was die meisten Männer für viel bessere Gesellschaft halten würden als Euch.« Natürlich, dachte er. Berelain. Sie kam ja hier heraus. Heute nacht dreht sich wohl alles um...
    Die Erste von Mayene war aus seinen Gedanken verschwunden, als er einen Blick in den Raum warf. Zerbrochene Spiegel hingen an den Wänden, und Glas- und Porzellanscherben bedeckten den Fußboden. Dazwischen lagen Federn aus dem aufgeschlitzten Bett. Geöffnete Bücher lagen zwischen umgestürzten Stühlen und Bänken. Und Rand saß mit geschlossenen Augen am Fuß seines Bettes, an einen Bettpfosten gelehnt, die schlaffen Hände auf Callandor, das auf seinen Knien lag. Er sah aus, als habe er in Blut gebadet.
    »Holt Moiraine!« fuhr Perrin die Aielfrauen an. Lebte Rand überhaupt noch? Wenn ja, dann benötigte er dringend die Heilkunst einer Aes Sedai. »Sagt ihr, sie soll sich beeilen!« Er hörte, wie jemand hinter ihm nach Luft schnappte, und dann schnelle Stiefelschritte.
    Rand hob den Kopf. Sein Gesicht war eine blutverschmierte Maske. »Mach die Tür zu.« »Moiraine wird gleich hier sein, Rand. Entspanne dich. Sie wird... « »Mach die Tür zu, Perrin.« Die Aielfrauen sprachen leise miteinander, traten dann aber unwillig

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