Der Schatten erhebt sich
Stühle am Tisch fallen, legte die Hände in den Schoß und saß mit nachdenklich gerunzelter Stirn da.
Nynaeve knurrte etwas, das wohl Zustimmung bedeuten sollte, und ging zu einem kleinen Tischchen an der Wand hinüber, auf dem einige Silberpokale neben Gewürzbehältern standen. Auch zwei Krüge standen dort. Der eine war mit Wein gefüllt und ruhte in einer Schüssel mit mittlerweile fast geschmolzenem Eis, wie es vom Rückgrat der Welt aus in Sägemehl eingepackt hertransportiert wurde. Eis für die Getränke der Hochlords, und das bei den Temperaturen in Tear. Elayne hatte sich das vorher kaum vorstellen können.
»Ein kühles Getränk vor dem Einschlafen wird uns gut tun«, sagte Nynaeve. Sie füllte drei Pokale mit Wein und fügte Wasser und Gewürze hinzu.
Elayne hob den Kopf, als Egwene sich neben sie setzte. »War das ernst, was du vorhin gesagt hast, Egwene? Mit Rand?« Egwene nickte, und Elayne seufzte auf. »Erinnerst du dich daran, was Min immer gesagt hat? All ihre Scherze darüber, ihn miteinander zu teilen? Ich habe mich schon gefragt, ob sie etwas gesehen hat, wovon sie uns nichts erzählte. Ich glaubte, sie meinte damit, daß wir beide ihn lieben und sie davon wisse. Aber du hattest ein Recht auf ihn, und ich wußte nicht, was tun. Ich weiß es immer noch nicht. Egwene, er liebt dich.« »Man muß ihm den Kopf zurechtrücken«, sagte Egwene mit fester Stimme. »Wenn ich heirate, wird es geschehen, weil ich es will und nicht bloß, weil ein Mann vor mir erwartet, daß ich ihn liebe. Ich werde es ihm sanft beibringen, Elayne, aber noch bevor ich mit ihm fertig bin, wird er wissen, daß er frei ist. Ob er will oder nicht. Meine Mutter sagt, daß sich Männer von uns unterscheiden. Sie sagt, wir wollen lieben, aber nur den, den wir uns in den Kopf gesetzt haben. Ein Mann muß sich zuerst verlieben, aber das wird bereits bei der ersten Frau geschehen, die sein Herz an die Kette legt.« »Das ist alles schön und gut«, sagte Elayne nervös, »aber Berelain befand sich in seinen Gemächern.« Egwene schniefte. »Was sie auch vorhat - Berelain kann sich nicht lange genug mit einem Mann aufhalten, daß er sich auch wirklich in sie verliebt. Vor zwei Tagen hat sie noch Rhuarc schöne Augen gemacht. In zwei Tagen wird sie ihr Auge auf jemand anderen werfen. Sie ist wie Else Grinwell. Erinnerst du dich noch an sie? Die Novizin, die ständig draußen auf dem Übungsgelände war und den Behütern schöne Augen machte?« »Sie hat ihm aber nicht bloß schöne Augen gemacht in seinem Schlafzimmer und um diese Zeit! Sie hat sogar noch weniger Kleidung als sonst getragen, falls das überhaupt möglich ist.« »Willst du ihn denn ihr überlassen?« »Nein!« Elayne sagte das wild entschlossen, aber schon im nächsten Moment versank sie wieder in tiefste Verzweiflung. »Ach, Egwene, ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich liebe ihn. Ich möchte ihn heiraten. Licht! Was wird Mutter dazu sagen? Ich würde lieber eine Nacht in Joiyas Zelle verbringen, als mir anhören, was Mutter mir zu sagen haben wird.« Adlige in Andor, selbst Mitglieder der königlichen Familie, heirateten öfter Gemeine und das erregte kaum viel Aufsehen. Aber Rand war nicht gerade von der üblichen Sorte. Ihre Mutter war durchaus im Stande, Lini zu ihr zu schicken, daß sie sie am Ohr packte und nach Hause schleifte.
»Morgase darf gar nicht viel sagen, wenn man Mat glauben kann«, sagte Egwene beruhigend. »Oder wenn man ihm auch nur die Hälfte glauben kann. Dieser Lord Gaebril, mit dem deine Mutter herummacht, klingt auch nicht unbedingt nach der Sorte von Mann, die eine Frau bei klarem Verstand erwählt.« »Ich bin sicher, daß Mat übertrieben hat«, erwiderte Elayne pikiert. Ihre Mutter war doch wohl zu clever, um sich eines Mannes wegen zum Narren zu machen. Sie hatte noch nie von dem Burschen gehört, bevor Mat davon erzählte. Falls dieser Lord Gaebril davon träumte, durch Morgase an Macht zu gewinnen, dann würde er eines Tages ziemlich unsanft geweckt werden.
Nynaeve brachte die drei Pokale mit Gewürzwein zu ihrem Tisch herüber. An den glänzenden Bechern lief das Kondenswasser herunter. Sie legte kleine grüngoldene Strohuntersetzer unter die Pokale, damit keine Feuchtigkeit auf die hochglänzende Tischfläche kam. »Also«, sagte sie, während sie sich hinsetzte, »du hast herausgefunden, daß du in Rand verliebt bist, Elayne, und du, Egwene, hast herausgefunden, daß du ihn nicht liebst.« Die beiden jüngeren Frauen, die
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