Der Schatten erhebt sich
aus.« Elaynes Stimme klang scharf. »Vielleicht ist das das Beste. Es ihm einfach geradeheraus zu sagen. Dann weiß er wenigstens, was ich für ihn empfinde. Dann habe ich wenigstens ein Recht darauf... « Sie schnappte sich ihren Pokal, legte den Kopf zurück und trank mit langen Zügen. So etwas einfach aussprechen? Wie so eine Mayene-Hure? Als sie den leeren Pokal auf den Untersetzer zurückstellte, atmete sie tief ein und murmelte: »Was wird nur Mutter dazu sagen?« »Was wichtiger wäre«, stellte Nynaeve sanft fest, »ist, was du tun wirst, wenn wir von hier fortmüssen. Ob nun nach Tanchico oder zur Burg oder sonstwohin, gehen müssen wir auf jeden Fall. Was machst du, wenn du fortmußt, kaum daß du ihm beigebracht hast, wie sehr du ihn liebst? Wenn er dich bittet zu bleiben? Wenn du das möchtest?« »Ich werde mitkommen.« Elaynes Antwort kam ohne Zögern, beinahe sogar ein wenig gekränkt. Die andere hätte wirklich nicht fragen brauchen. »Wenn ich schon akzeptieren muß, daß er der Wiedergeborene Drache ist, muß er mich auch als das akzeptieren, was ich bin, und daß ich Aufgaben zu erfüllen habe. Ich will Aes Sedai werden, Nynaeve. Das sage ich nicht nur so leichthin. Und wir drei haben eine wichtige Arbeit zu erledigen. Hast du im Ernst geglaubt, ich würde dich und Egwene im Stich lassen?« Egwene beeilte sich, ihr zu versichern, der Gedanke sei ihr niemals gekommen, und Nynaeve schloß sich dem an, doch langsam genug, um selbst ihre eigene Lüge besser schlucken zu können.
Elayne blickte von der einen zur anderen. »In Wirklichkeit habe ich gefürchtet, ihr würdet mir Vorwürfe machen, weil ich mich mit so etwas beschäftige, obwohl wir doch wahrhaftig genug mit den Schwarzen Ajah am Hals haben.« Egwenes unsteter Blick verriet, daß sie daran tatsächlich gedacht hatte, aber Nynaeve sagte: »Rand ist nicht der einzige, der nächstes Jahr oder auch nächsten Monat sterben könnte. Das kann auch uns widerfahren. Die Zeiten sind nicht so wie früher, und auch wir müssen dem Rechnung tragen und uns ändern. Wenn du nur dasitzt und von dem träumst, was du gern haben möchtest, kann es geschehen, daß du es auf dieser Seite des Todes nicht mehr findest.« Das war schon eine erschreckende Art von Bestätigung, aber Elayne nickte. Sie würde sich nicht wie eine dumme Gans anstellen. Wenn sie die Sache mit den Schwarzen Ajah nur schnell hinter sich bringen könnten. Sie drückte den leeren Silberpokal gegen ihre Stirn und genoß die Kühle. Was sollten sie nur tun?
KAPITEL
7
Spiel mit dem Feuer
D ie Sonne hatte sich am nächsten Morgen kaum über den Horizont erhoben, da erschien Egwene am Eingang zu Rands Gemächern. Elayne folgte ihr schlurfend. Die Tochter-Erbin trug ein blaßblaues Seidenkleid mit langen Ärmeln. Es war der tairenischen Mode entsprechend schulterfrei, und nach langer Diskussion hatte sie es noch ein wenig heruntergezogen. Das Blau ihrer Augen wurde noch unterstrichen von einer Halskette aus Saphiren von der Farbe des Morgenhimmels und einer weiteren solchen Kette, die sie durch ihre rotgoldenen Locken gezogen hatte. Trotz der Wärme trug Egwene einen einfachen, dunkelroten Schal, beinahe so breit wie eine Stola, um die Schultern. Aviendha hatte ihr den gegeben, genauso wie die Saphire. Überraschenderweise besaß die Aielfrau einen ganzen Vorrat an Schmuck.
Obwohl sie ja um ihre Anwesenheit gewußt hatte, erschrak Egwene doch, als die Aiel-Wachen plötzlich geschmeidig aufsprangen. Elayne gab ein kurzes Keuchen von sich, aber dann musterte sie die Wachen würdevoll, wie sie das so gut beherrschte. Es schien aber auf diese sonnenverbrannten Männer keine Wirkung zu haben. Die sechs waren Shae'en M'taal, Steinhunde, und erschienen für Aiel geradezu entspannt. Das hieß, sie schienen gleichzeitig alles wahrzunehmen und bereit zu sein, in jeder Richtung losschlagen.
Egwene machte es Elayne nach und richtete sich gerade auf. Sie wünschte, sie könne das so gut wie die TochterErbin. Dann verkündete sie: »Ich... wir wollen nach den Wunden des Lord Drachen sehen.« Ihre Bemerkung war an sich dumm, falls sie etwas über die Heilkräfte der Aes Sedai wußten, aber das war eher unwahrscheinlich. Nur wenige Menschen wußten darüber Bescheid und die Aiel möglicherweise noch weniger als andere. Sie hatte gar nicht geplant, einen Grund für ihre Anwesenheit zu nennen. Es genügte schon, daß sie sie für Aes Sedai hielten. Aber als sich die Aiel mit einemmal beinahe aus dem
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