Der Schatten erhebt sich
»Aber nur, wenn du mich mit meinem Namen anredest. Elayne. Sag es, ja?« »Elayne.« Er sagte das ein wenig linkisch, doch schien er es auch zu genießen, diesen Namen auszusprechen.
»Gut.« Es war idiotisch, daß sie sich so freute, da er schließlich nichts anderes getan hatte, als ihren Namen auszusprechen. Aber es gab da etwas, das sie wissen mußte, bevor sie weitermachen konnte. »Hat es dir sehr weh getan?« Es wurde ihr klar, daß er ihre Worte auf zweierlei Art auslegen könne. »Ich meine, was Egwene dir gesagt hat.« »Nein. Ja. Ein bißchen. Ich weiß nicht. Schließlich war es nur anständig.« Er grinste leicht, und sein Mißtrauen wich ein wenig. »Ich höre mich schon wieder wie ein Narr an, oder?« »Nein. Für mich nicht.« »Ich habe ihr die reine Wahrheit gesagt, aber sie hat mir wohl nicht geglaubt. Ich denke, ich habe es von ihr auch nicht glauben wollen. Nicht wirklich. Und wenn das nicht dumm ist, dann weiß ich auch nicht mehr.« »Wenn du mir noch einmal sagst, du seist ein Narr, dann werde ich anfangen, es zu glauben.« Er wird nicht versuchen, sie irgendwie festzuhalten; darüber muß ich mir also keine Gedanken machen. Ihre Stimme klang ruhig, doch ihr Tonfall sagte ihm, daß sie nicht ganz ernst meinte, was sie ihm erklärte: »Ich habe einmal den Hofnarren eines Lords aus Cairhien gesehen. Er trug einen lustigen, gestreiften Mantel, der ihm viel zu groß war und auf den er Glöckchen genäht hatte. Du würdest reichlich blöd aussehen mit Glöckchen!« »Das glaube ich auch«, sagte er reumütig. »Lektion akzeptiert.« Diesmal war sein Grinsen breiter und erfaßte sein ganzes Gesicht.
Die Schmetterlinge in ihrem Bauch drängten zur Eile, doch sie beschäftigte sich erst einmal damit, ihren Rock glattzustreichen. Sie mußte langsam und vorsichtig vorgehen. Wenn nicht, glaubt er sicher, daß ich nur eine dumme Göre bin. Und er hat auch noch recht damit. Jetzt flatterten bereits ganze Schwärme von Schmetterlingen durch ihren Bauch.
»Möchtest du eine Blume haben?« fragte er plötzlich, und sie zwinkerte verwirrt.
»Eine Blume?« »Ja.« Er schritt zum Bett, hob eine Handvoll Federn von dem zerfetzten Oberbett auf und hielt sie ihr hin. »Ich habe gestern abend eine für die Majhere gemacht. Man hätte denken können, ich habe ihr den ganzen Stein geschenkt. Aber deine wird viel hübscher«, fügte er eilends hinzu. »Viel hübscher, das verspreche ich.« »Rand, ich... « »Ich bin schon vorsichtig. Ich brauche nur ganz wenig von der Macht dazu. Nur einen dünnen Faden, und ich werde wirklich vorsichtig sein.« Vertrauen. Sie mußte ihm vertrauen. Es kam aber doch als kleine Überraschung, als sie feststellte, daß sie ihm tatsächlich vertraute. »Das wäre schön, Rand.« Eine Weile blickte er das flauschige Häufchen in seiner Hand an und runzelte langsam die Stirn. Mit einemmal ließ er dann die Federn fallen und klopfte sich die Hände ab. »Blumen«, sagte er, »sind kein würdiges Geschenk für dich.« Sie hatte Mitleid mit ihm; ganz offensichtlich hatte er Saidin berühren wollen und nichts erreicht. Er verbarg seine Enttäuschung damit, daß er schnell zu dem metallischen Tuch hinüberhinkte und es sich über den Arm legte. »Aber das hier ist ein würdiges Geschenk für die Tochter-Erbin Andors. Du könntest es von einer Schneiderin... « Offensichtlich fiel ihm nicht ein, was eine Schneiderin aus einem vier Schritt langen und kaum zwei Fuß breiten Stück Gold-und-Silber-Tuches machen könne.
»Ich bin sicher, daß einer Schneiderin eine Menge dazu einfällt«, sagte sie ihm diplomatisch. Dann zog sie ein Taschentuch aus dem Ärmel und kniete einen Moment nieder, um die fallengelassenen Federn darin aufzusammeln.
»Die Zimmermädchen werden das doch besorgen«, sagte er, als sie das kleine Bündel in ihrer Gürteltasche verstaute.
»So, das wäre erledigt.« Wie könnte er auch verstehen, daß sie die Federn nur aufheben wollte, weil er die Absicht gehabt hatte, ihr daraus eine Blume zu machen? Er trat von einem Fuß auf den anderen und hielt den glitzernden Stoff auf dem Arm, als wisse er nicht, was er damit anfangen solle. »Die Majhere muß bestimmt Schneiderinnen haben«, sagte sie zu ihm. »Ich gebe das einer von ihnen.« Seine Miene erhellte sich, und er lächelte. Sie hatte keinen Grund, ihm zu sagen, daß sie es verschenken wollte. Dieser Sturmwind von Schmetterlingen ließ sie nicht mehr ruhen. Es mußte nun sein. »Rand... magst du mich?« »Dich
Weitere Kostenlose Bücher