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Der Schatten erhebt sich

Der Schatten erhebt sich

Titel: Der Schatten erhebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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erkannten das auch und neigten zögernd ihre steifen Hälse. Er dachte vielleicht, sie beugten sich ihm nur, weil er der Wiedergeborene Drache war, und möglicherweise glaubten sie das selbst. Aber sie hatte Männer erlebt wie Gareth Bryne, den Kommandeur der Leibgarde ihrer Mutter, die auch in Lumpen noch einen Raum beherrscht hätten, ohne Titel und ohne Namen. Rand war das sicher nicht klar, doch er war ein solcher Mann. Er war es noch nicht gewesen, als sie ihn zum erstenmal gesehen hatte, doch mittlerweile war ein solcher Mann aus ihm geworden. Sie zog die Tür hinter sich zu.
    Die Aiel um sie herum blickten sie neugierig an und der Hauptmann, der den Ring der Verteidiger in der Mitte des Vorraums kommandierte, starrte nervös herüber, doch sie bemerkte sie alle kaum. Es war vollbracht. Oder zumindest war ein Anfang gemacht. Vier Tage hatte sie noch, bevor Joiya und Amico auf das Schiff gebracht werden sollten, vier Tage also, um sich so in Rands Gedanken festzusetzen, daß darin kein Raum mehr für Berelain blieb. Und wenn sie das nicht erreichte, dann zumindest wollte sie in seinen Gedanken bleiben, bis sie mehr unternehmen konnte. Sie hatte nie geglaubt, daß sie so etwas fertigbringen würde -einen Mann zu jagen wie eine Jägerin den wilden Keiler. Die Schmetterlinge trieben sich immer noch in ihrem Magen herum. Aber wenigstens hatte sie sich ihm gegenüber nicht anmerken lassen, wie nervös sie tatsächlich gewesen war. Nun fiel ihr auch auf, daß sie kein einziges Mal daran gedacht hatte, was wohl ihre Mutter dazu sagen würde. Jetzt beruhigte sich ihr Magen endlich. Es war ihr gleich, was Mutter sagen würde. Morgase mußte ihre Tochter als Frau akzeptieren, und das war alles.
    Die Aiel verbeugten sich, als sie davonschritt, und sie nahm es mit einem graziösen Nicken entgegen, das Morgase alle Ehre gemacht hätte. Selbst der tairenische Hauptmann sah sie an, als habe er ihre neugewonnene Würde bemerkt. Sie glaubte nicht, daß ihr noch einmal diese Schmetterlinge im Magen Schwierigkeiten bereiten würden. Vielleicht, was die Schwarzen Ajah betraf, aber nicht Rands wegen.
    Rand ignorierte zunächst die nervös im Halbkreis herumstehenden Hochlords und blickte die Tür mit staunenden Augen an, die sich hinter Elayne schloß. Träume, die wahr wurden, auch wenn es keine großen Dinge im Leben waren, machten ihn unruhig. Von dieser Schwimmerei im Wasserwald zu träumen war ja gut und schön, aber er hatte sich niemals erträumt, daß sie ihn wirklich so gern haben könnte. Sie war immer so kühl und beherrscht gewesen, während er ständig über die eigenen Füße stolperte. Und dann Egwene, die ihm seine eigenen Gedanken gewahr werden ließ und nur darum besorgt war, ihm nicht allzusehr weh zu tun. Wieso konnten Frauen bei der kleinsten Sache völlig aufgelöst sein oder aber einen Wutausbruch haben, wenn sie nicht einmal mit der Wimper zuckten bei anderen Sachen, die einen Mann total umwarfen?
    »Lord Drache?« murmelte Sunamon noch unterwürfiger als sonst. Gerüchte über die Ereignisse dieses Morgens mußten wohl längst im ganzen Stein herum sein. Die erste Gruppe war ja fast im Laufschritt hinausgerannt, und es war zweifelhaft, ob Torean noch einmal sein Gesicht in Rands Gegenwart zeigen und seine schmutzigen Vorschläge unterbreiten würde.
    Sunamon bemühte sich um ein dankbares Lächeln, aber als Rand ihn direkt anblickte, verlor sich das sofort wieder, und er rang statt dessen ängstlich die Hände. Die anderen taten so, als bemerkten sie die versengten Tische, das zerrissene Oberbett, die verstreuten Bücher und die halbgeschmolzenen, formlosen Klumpen auf dem Kaminsims, die einmal Wölfe und Hirsch dargestellt hatten, überhaupt nicht. Die Hochlords hatten Erfahrung darin, nur zu sehen, was sie sehen wollten. Carleon und Tedosian, deren Haltung trotz ihrer Fettleibigkeit falsche Bescheidenheit ausdrücken sollte, war wohl selbst bewußt, daß es auch verdächtig war, wenn sie die ganze Zeit über stur aneinander vorbeischauten. Andererseits hätte Rand solche Kleinigkeiten vielleicht gar nicht bemerkt, wenn er nicht Thoms Zeilen gelesen hätte, die er nach dem Ausbürsten seiner Jacke in einer Tasche gefunden hatte. »Der Lord Drache wünschte, uns zu sehen?« brachte Sunamon heraus.
    Konnten Egwene und Elayne das miteinander abgesprochen haben? Nein, natürlich nicht. Frauen taten so etwas genausowenig wie Männer. Oder doch? Es mußte ein Zufall gewesen sein. Elayne hörte, daß er frei sei,

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