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Der Schatten im Norden

Der Schatten im Norden

Titel: Der Schatten im Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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habe
gewusst, dass etwas passiert ist. Es war am Vormittag so
gegen elf, nicht wahr?«
»Soweit ich weiß, ja«, bestätigte Frederick. »Verzeihen
Sie, es war blöd von mir, Champagner zu bestellen.
Hätten Sie lieber einen Cognac?«
»Oh, ich trinke Champagner zu jeder Gelegenheit, außer
auf einer Beerdigung«, versetzte sie. »So weit ist es doch
noch nicht?« »Ihre Schwester hält sich wacker. Sie ist im
Guy-Hospital, sie ist dort in guten Händen.
Möglicherweise ist sie jetzt schon wieder bei
Bewusstsein. «
»Gut, aber wer sind Sie eigentlich?«, fragte sie nun.
»Ich will nicht unhöflich sein, aber sind Sie von der
Polizei?« Frederick machte die Flasche auf und schilderte
dann den Grund seines Kommens. Beim Erwähnen von
Nellie Budds Trance-Zuständen nickte ihre Schwester.
»Ich erinnere mich«, sagte sie. »Sie fing mit dem
spiritistischen Zirkus an, während ich gar nichts davon
hielt. Das war einer der Gründe, warum sich unsere
Wege trennten. In der letzten Zeit waren wir uns nicht
mehr so nahe. Aber wer kann ihr das bloß angetan
haben?«
»Ich glaube, ich weiß, wer die beiden sind, aber ich
weiß nicht, warum sie es getan haben. Sie haben ja meine
Karte. Würden Sie mir Bescheid geben, sobald Sie etwas
erfahren?« »Selbstverständlich. Morgen Abend trete ich
noch einmal auf, aber dann komme ich runter nach
London und besuche sie. Ich muss das tun. Ganz gleich,
wie weit wir uns auseinander gelebt haben, wir sind und
bleiben Schwestern. «
»Übrigens«, schloss er an, »kennen Sie zufällig einen
Burschen namens Alistair Mackinnon?« Ihre Reaktion
war prompt.
»Den!«, kam es mit eisiger Verachtung aus ihr heraus.
»Diese kleine Ratte. Ob ich ihn kenne? Allerdings. Und
wenn er jetzt hier wäre, würde ich ihm die Birne
einschlagen. Mackinnon? Mackotz, wenn Sie mich
fragen. Pfui! Steckt er auch irgendwie drin? »Ja... Aber
ich weiß nicht wie. Er scheint jedenfalls heftige
Reaktionen auszulösen. Ich habe seine Spur verloren.
Sicher wüsste er mehr über seine Mutter zu sagen. «
»Seine Mutter?« »Ihre Schwester. Mrs. Budd. « »Wie
bitte?
Sie war aufgestanden und starrte ihm ins Gesicht, am
ganzen Körper vor Zorn und Erstaunen bebend.
»Seine Mutter, sagten Sie. Das müssen Sie genauer
erklären, mein Junge. Das dürfen Sie mir nicht so einfach
ins Gesicht sagen ohne jede Erklärung. «
Frederick war genauso erstaunt wie sie. Er fuhr sich mit
den Fingern durchs Haar, ehe er wieder Worte fand. »Es
tut mir furchtbar Leid«, stammelte er. »Ich bin davon
ausgegangen, dass er der Sohn ihrer Schwester sei. Das
hat er wenigstens selbst gesagt. «
»Er hat das gesagt? Dieser Satansbraten. Wo steckt er
jetzt? Weiß Gott, ich hätte Lust, ihm jeden Knochen
einzeln zu brechen. Wie kann er's wagen?«
Sie setzte sich wieder, immer noch vor Zorn bebend.
Frederick schenkte ihr ein Glas Champagner ein.
»Hier«, sagte er. »Trinken Sie das, ehe es aufhört zu
perlen. Welche Beziehung besteht denn nun zwischen
Ihrer Schwester und Mackinnon?«
»Können Sie sich das nicht denken?«, fragte sie mit
bitterem Unterton.
Er schüttelte den Kopf.
»Wie das mit einem Mann halt so ist. Sie war seine
Geliebte. Geliebte! Und ich -«, hier brach sie plötzlich in
Tränen aus. »Und ich war auch in ihn verliebt.
Wahnsinnig verliebt. « Frederick saß völlig perplex da.
Jessie Saxon schnauzte sich, tupfte sich die Augen, nahm
einen Schluck Champagner, hustete, verschluckte sich
und klagte weiter. Frederick legte ihr den Arm um die
Schulter, das schien ihm jetzt das einzig Vernünftige. Sie
lehnte sich gegen ihn und schluchzte, während er ihr
übers Haar strich und den Blick schweifen ließ. Ihre
Garderobe war eng und abgenutzt, der Spiegel hatte
einen Sprung und die Vorhänge waren verblichen. Auf
dem Tisch standen ein offener Schminkkoffer und eine
Öllampe, die qualmend vor sich hin brannte... Es war ein
behaglicher Platz, wenn man stets jemanden zur
Gesellschaft hatte; oder ein aufregender, wenn man am
Anfang einer Bühnenkarriere stand. Doch für jemanden
wie Jessie Saxon musste es ein schrecklich einsamer
Platz sein. Er hielt sie fest im Arm und gab ihr einen
Kuss auf die Stirn.
Nachdem sie sich wieder halbwegs gefasst hatte, schob
sie ihn sanft zur Seite, tupfte sich nochmals mit kurzen,
ärgerlichen Bewegungen die Augen und ließ ein kurzes,
bitteres Lachen hören. »Vierzundvierzig Jahre alt und
heult wie ein Backfisch... Und wir haben uns über ihn
zerstritten. Können Sie sich das vorstellen? Das ist

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