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Der Schatten im Norden

Der Schatten im Norden

Titel: Der Schatten im Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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Patentbibliothek.
    Die Bibliothek befand sich im großen Patentamt ein
paar Schritte von der Chancery Lane, ein weitläufiger
Bau mit einem hohen Glasdach und rundum laufenden
gusseisernen Galerien. Sally war schon einmal wegen
eines Klienten dort gewesen, der sein gesamtes
Vermögen in eine Erfindung stecken wollte, die die
Verpackung von Sardinen revolutionieren sollte. Nach
ihrem Besuch wusste sie, dass die neue Blechbüchse
doch nicht so revolutionär war, wie der Klient geglaubt
hatte. Sie konnte ihn daher davon überzeugen, für sein
Geld Staatsanleihen zu kaufen.
    Als Erstes suchte sie im alphabetischen Verzeichnis der
Patentinhaber unter dem Namen Hopkinson. Sie begann
ihre Recherche mit dem Band für 1870, da sie es für
unwahrscheinlich hielt, vor diesem Zeitpunkt
irgendetwas Brauchbares zu finden. Der erste Band
brachte kein Ergebnis, aber im Jahrgangsband 1871 war
unter dem Namen Hopkinson ein Patent für
Dampfmaschinen aufgeführt. War es das schon? So rasch
würde sie doch wohl nicht zum Ziel kommen. Schließlich
war Hopkinson kein ungebräuchlicher Name, und Patente
im Zusammenhang mit Dampfmaschinen gab es auf fast
jeder Seite des Verzeichnisses, wie sie schon beim
flüchtigen Durchblättern gesehen hatte.
    Sie machte sich eine Notiz und nahm sich den nächsten
Band vor. Das Jahr 1872 war wieder unergiebig, aber
1873 und 1874 hatte J. oder J. A. Hopkinson zwei
weitere Patente für Dampfkessel angemeldet. Bis zum
gegenwärtigen Zeitpunkt war nichts Neues
hinzugekommen. Aus Interesse schlug sie auch unter
Nordenfels nach, fand aber nichts.
    Sie ging zum Schalter und füllte einen Schein aus, um
die Beschreibungen der Hopkinson-Patente zu erhalten.
Um sich die Wartezeit zu verkürzen, schaute sie im
alphabetischen Verzeichnis für 1873 unter Garland nach.
Da stand es: Garland, F. D. W., 1358, 20. Mai,
fotografische Linse. Gleich zu Beginn ihrer Tätigkeit als
Finanzberaterin des Fotoateliers hatte sie Frederick
gedrängt, die Erfindung patentieren zu lassen. Bisher
hatte ihm das noch kein Geld eingebracht, aber das
Patent würde noch neun Jahre Gültigkeit besitzen, Zeit
genug für eine Serienfabrikation, sofern sich ein
Geldgeber fand, der sich für die Produktion interessierte.
Im Geist sah sie sich schon mit Geschäftsleuten und
Anlegern verhandeln. Das wäre ein klar umrissenes
Projekt, ein nützliches Unternehmen nach all diesen
trüben Geschäften! Fred könnte die technische Seite
übernehmen, in der er unschlagbar war, und sie würde
sich um Finanzierung und Absatz kümmern...
    Aber vielleicht wollte er gar nicht mehr. »Wir bringen
diesen Fall noch zu Ende und dann machen wir reinen
Tisch«, hatte er gesagt. Er meinte ihre Freundschaft und
noch etwas Tieferes; sein Gesicht dabei hatte ihr das
verraten. Wäre er bereit, eine neue Form der
Partnerschaft zu versuchen? Sie zweifelte irgendwie
daran. Sie ließ die Augen zu den Männern um sie herum
schweifen --- die meisten waren Angestellte in
Anwaltskanzleien, vermutete sie, auch ein oder zwei
private Investoren ---, die dicke Bände durchblätterten
und Exzerpte anfertigten, die sie mit kratzenden
Stahlfedern zu Papier brachten. Sie war die einzige Frau
im ganzen Gebäude, und das hatte ihr neugierige Blicke
eingebracht, doch daran war sie gewöhnt. Keine Frage,
die Herren um sie herum waren umsichtig, kompetent
und zuverlässig --- aber Frederick überstrahlte sie alle. Er
war über allen Vergleich erhaben, auch gegenüber
diesem windigen schottischen Gespenst Mackinnon. Fred
war einzigartig. Über ihre Gefühle für ihn hatte sie
keinen Zweifel: Sie liebte ihn, jetzt und für immer.
    Und er hatte gesagt, sie sei unsympathisch... »Miss
Lockhart?« Es war der Herr vom Schalter. »Die
Patentbeschreibungen, die Sie angefordert haben, sind da.
« Sie nahm die blauen Broschüren und setzte sich an
einen Lesetisch.
    Jede Broschüre enthielt einen Satz gefalteter
Konstruktionszeichnungen nebst zugehörigen
Beschreibungen. Der Titel der ersten lautete:
    Patenturkunde für John Addy Hopkinson von
Huddersfield in der Grafschaft York, Ingenieur,
betreffend die Erfindung einer verbesserten Nutzung von
Dampfkesseln in Maschinen, ausgestellt am 5. Juni 1874,
angemeldet am 24. Dezember 1873.
    Sie begann zu lesen, merkte aber rasch, dass es nicht die
Maschine sein konnte, die Bellmann in den North-StarWerken herstellen ließ. Das Gleiche galt für die anderen
Erfindungen: einen neuen beweglichen Rost zur
Beschickung der Feuerbüchse einer

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