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Der Schatten im Norden

Der Schatten im Norden

Titel: Der Schatten im Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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vielleicht gelingt
es mir, Sie von der Richtigkeit meiner Meinung in
anderen Fragen zu überzeugen. Eines ist sicher: Sie
würden keine bloße Zierpuppe in meinem Leben sein,
wie es Lady Mary gewesen wäre. Selbst wenn sie mich
aus freien Stücken geheiratet hätte, wäre sie wohl nicht
glücklich geworden. Sie hingegen, Miss Lockhart,
schätze ich so ein, dass für Sie Glücklichsein in jedem
Fall nur zweitrangig ist. Was für Sie vor allem zählt, ist
tätig sein und Wirkungen erzielen. Das kann ich Ihnen
versprechen - von allem so viel Sie wollen. Sie verstehen,
worauf ich hinaus will? Ich bitte Sie um Ihre Hand, aber
ich biete Ihnen mehr als nur die Ehe, ich biete Ihnen eine
Partnerschaft. Sie und ich, wir wären ein großartiges
Paar. Und wer weiß? In den seltenen ruhigen
Augenblicken, die Ihnen im Getümmel eines glanzvollen
Lebens vergönnt sind, haben Sie vielleicht ein Gefühl,
das schwer zu benennen ist, bis Sie sich erinnern, dass es
ein Nebenprodukt der Arbeit ist und gewöhnlich Glück
genannt wird. Miss Lockhart ---«, er setzte sich in seinem
Sessel auf und beugte sich vor, um ihre Hände zu
ergreifen, »wollen Sie meine Frau werden?« Sie fühlte
sich benommen.
Sie war mit der Erwartung hierher gekommen, auf Zorn,
Hohn und Gewalt zu treffen, und hatte sich darauf gefasst
gemacht. Das hier verschlug ihr die Sprache. Sie überließ
ihm ihre Hände. In der Berührung mit diesem Mann
spürte sie dessen ungeheure Kraft. Seine Persönlichkeit
hatte etwas Hypnotisierendes, sein Körper strahlte eine
gleichsam elektrische Energie aus. Sein Blick hielt sie
gefangen, und der Strom seiner Rede schlug sie in Bann.
Sie musste ihre ganze Kraft aufbieten, um zu sprechen.
»Ich ---«, war alles, was sie gerade noch sagen konnte,
denn im gleichen Augenblick pochte es heftig an der Tür.
Bellmann ließ ihre Hände los und schaute sich um. »Ja?
Was gibt es?«
Der Diener öffnete die Tür, und da stand Alistair
Mackinnon. Sally ließ sich in ihren Sessel zurückfallen.
Die Angst saß ihm in den Knochen, das war
offensichtlich. Er triefte vor Nässe - draußen musste es
stark regnen - und die Hand, in der er seinen Hut hielt,
zitterte. Sein Blick huschte von Sally zu Bellmann und
wieder zurück zu Sally, dann richtete er seine
angstgeweiteten Augen auf den Finanzier.
»Ich komme wegen - Miss Lockhart«, sagte er mit
schwacher Stimme.
Bellmann rührte sich nicht. »Ich verstehe nicht. «
»Miss Lockhart«, begann Mackinnon, den Blick von
Bellmanns Augen gelöst und direkt zu Sally gewandt,
»Jim Taylor und ich, wir sind hergekommen - um sie
nach Hause zu bringen. Jim ist - er ist verletzt. Sein eines
Bein ist gebrochen. Er konnte nicht mit hereinkommen,
er wartet draußen vor dem Tor. Wir sind gekommen,
weil... « Sein Blick huschte kurz zu Bellmann hinüber,
dann wieder zu Sally. »Sie können nun - mit uns
kommen. « Sie sah den Mut, den er hatte aufbieten
müssen, um das Haus des Mannes zu betreten, der ihn
hatte umbringen wollen, und dann in dessen Gegenwart
zu sprechen.
»Es ist zu spät, Mr. Mackinnon«, sagte sie. Sie zwang
sich, aufrecht zu sitzen, so aufrecht, wie Miss Susan
Walsh in ihrem Büro gesessen hatte. Dann bemühte sie
sich mit möglichst ruhiger Stimme zu sagen: »Mr.
Bellmann hat mich gerade gefragt, ob ich ihn heiraten
wolle. Ich wäge gerade ab, ob ich seinen Heiratsantrag
annehmen soll oder nicht. «
Sie spürte Mackinnons ungläubige Haltung. Bellmanns
Blick vermeidend, fuhr sie fort:
»Es hängt davon ab, ob er es sich leisten kann. Mein
Jawort wird Mr. Bellmann
dreitausendzweihundertsiebzig Pfund kosten. Das ist der
Betrag, den ich schon früher einmal verlangt hatte, ohne
ihn zur Zahlung bewegen zu können. Damals hatte ich
ihm nichts zu verkaufen. Aber nun hat er seinen Wunsch
bekundet, mich zu heiraten. Das hat die Lage vielleicht
verändert. «
Mackinnon war sprachlos. Er schien hilflos in der
elektrischen Ladung, die zwischen Sally und Bellmann
floss. Sein Blick wanderte zu Bellmann zurück, dann
zuckte er zusammen, als Bellmann in Gelächter ausbrach.
»Hahaha! Ich habe mich nicht getäuscht --- Sie sind mir
wirklich ebenbürtig! Selbstverständlich sollen Sie das
Geld bekommen. In Goldmünzen? Jetzt gleich?«
Sie nickte, worauf Bellmann aufstand und nach einem
Schlüssel an seiner Uhrkette tastete. Er nahm ihn und
ging zu einem kleinen Safe hinter seinem Schreibtisch.
Vor ihren Augen holte er drei kleine versiegelte
Geldsäckchen hervor, warf sie auf den Tisch, riss die
Siegel ab und

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