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Der Schatten im Norden

Der Schatten im Norden

Titel: Der Schatten im Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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körperlosen
Intelligenz«, sagte Mr. Price, der im Nieselregen unter
der Gaslaterne ein wenig verwirrt dreinschaute. »Schon
möglich«, sagte Frederick. »Jedenfalls haben Sie mir
hochinteressante Dinge gezeigt, Mr. Price. Behalten wir
es für uns --- und seien Sie unbesorgt. «
»Gut«, sagte Jim, als sie zehn Minuten später im Zug
saßen. »Ich habe meine Meinung geändert. Es steckt
tatsächlich etwas dahinter. «
Frederick, die Kamera auf dem Schoß, hatte gerade
durchgelesen, was Nellie Budd in ihrer Trance geredet
hatte. Jim besaß ein gutes Gedächtnis für Sprache. Er
hatte sich jedes ihrer Worte merken und alles genau
niederschreiben können. Dabei war ihm etwas
aufgefallen.
»Es passt mit Mackinnon zusammen. « »Sei nicht
kindisch«, sagte Frederick.
»Es passt sogar verdammt gut zusammen. Hör dir das
mal an: >Schwert im Wald - oh, Blut im Schnee, und das
Eis - da ist er immer noch, in einem Glassarg... <«
Frederick blickte noch skeptisch. »Es könnte sein. Nur
den Glassarg verstehe ich nicht. Ich dachte, den gäbe es
nur bei Schneewittchen. Blut im Schnee... Das kommt
doch bei - wie heißt es gleich -Schneeweißchen und
Rosenrot vor, oder? Märchen. Ich dachte, du glaubtest
ihm nicht?«
»Man braucht ihm nicht zu glauben, um eine
Verbindung zu sehen. Das gehört zu Mackinnons
Geschäft. Wetten wir zehn Shilling?« »Nein, nein.
Wenn's um Mackinnon geht, schließe ich keine Wetten
ab. Wo man auch hinschaut, überall taucht der Kerl auf.
Jetzt will ich erst einmal diese Platte entwickelt sehen.
Bring du die Batterie in die Burton Street, ich nehme eine
Droschke zum Piccadilly und besuche Charlie. «
EINE FINANZBERATUNG
    Die Finanzberaterin S. Lockhart arbeitete noch spät.
Draußen im Finanzviertel war es schon dunkel und ruhig,
während das Kohlenfeuer im Kamin nur noch schwach
brannte. Papier lag über den ganzen Teppich verstreut,
manches zerknüllt und in Richtung Papierkorb geworfen,
das übrige nach einem verborgenen System zu Stapeln
geordnet. Sally saß am Schreibtisch, zu ihrer Rechten
Schere und Kleister, zu ihrer Linken ein Haufen
Zeitungen, Briefe, Gutachten, Akten, und vor ihr auf der
Schreibunterlage ein Atlas, der bei der Karte der
baltischen Länder aufgeschlagen war. Chaka lag auf
seinem Platz vor dem Kamin, den massigen Kopf auf die
Seite gelegt, die Vorderpfoten ab und zu zuckend, wenn
er gerade träumte.
    Sallys Strähne machte ihr wieder zu schaffen, sie wollte
einfach nicht halten, immer wieder wischte sie sie mit
ungeduldiger Hand aus dem Gesicht. Auch die Augen
taten ihr weh. Zum x-ten Mal schaute sie abschätzend
zum Gaslicht hinüber und fragte sich, ob es sich lohne,
den Schreibtisch näher ans Licht zu schieben und dafür
die auf dem Boden liegenden Papiere aufräumen zu
müssen. Sie entschied, dass es sich nicht lohne, und
beugte sich wieder mit einer Lupe über die Karte.
    Plötzlich erhob sich der Hund und knurrte.
»Was gibt's, Chaka?«, sagte sie leise und horchte. Kurz
darauf war ein fernes Klopfen draußen an der
Eingangstür zu hören. Sally stand auf, zündete eine
Kerze am Gaslicht an und setzte sie in eine kleine
Laterne, wo sie vor Durchzug geschützt war.
    »Na komm, mein Guter«, sagte sie zu Chaka und nahm
einen Schlüssel an sich. »Schauen wir mal, wer draußen
steht. « Das mächtige Tier stand auf, gähnte mit weitem
Maul, streckte sich und folgte ihr die zwei Treppen
hinunter zum Eingang. Mit dem schwankenden kleinen
Licht in der Hand ging sie durch das zu dieser Stunde
leere Gebäude, das ihr aber keine Angst bereitete, da sie
hier jeden Winkel kannte.
    Unten schloss sie die Haustür auf und musterte die
Gestalt auf dem Absatz. »Ja bitte?«
»Soll ich meinen Vortrag hier auf der Matte halten?«,
fragte Frederick Garland. »Oder darf ich vielleicht doch
reinkommen?« Sie trat ohne ein Wort beiseite und hielt
Chaka, der wieder knurrte, am Halsband zurück, als
Frederick ihr voran die Treppe hinaufging. Keiner von
beiden sprach.
Oben im Büro warf Frederick Hut und Mantel auf den
Boden und setzte vorsichtig die Kamera ab. Dann griff er
sich einen Stuhl und setzte sich an den Kamin. Der Hund
knurrte immer noch. »Sag dem Vieh, dass ich in
friedlicher Absicht gekommen bin«, wandte er sich an
Sally.
Sally kraulte den Hund am Kopf, worauf Chaka sich
neben sie setzte. Sie selbst blieb stehen.
»Ich habe zu tun«, informierte sie ihn. »Was willst du?«
»Was weißt du über Spiritismus?«
»Also wirklich, Fred«, versetzte sie gereizt. »Ist

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