Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schatten im Norden

Der Schatten im Norden

Titel: Der Schatten im Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
Vom Netzwerk:
und zu guter
Letzt die prächtige Ananas.
    »Haben Sie vielen Dank, Mr. Humphries«, hob er an.
»Ihr Büffet war vorzüglich, Mrs. Wilcox, erstklassig.
Nun, meine Damen und Herren, ich fühle mich durch
Ihre Einladung geehrt. Mein Assistent und ich widmen
uns schon seit Längerem der Erforschung des TranceZustands unter besonderer Berücksichtigung der
elektrischen Leitfähigkeit der Haut. Diese Kiste -« Jim
hob sie auf den Tisch, Frederick öffnete sie und holte
eine Kupferspule, eine Menge aufgewickelten Draht,
Messingelektroden und ein Messgerät mit großem
Ziffernblatt hervor --- »enthält die verbesserte Version
des Elektrodermographen, der von Professor Schneider
aus Boston erfunden wurde. «
    Er reichte Jim eine Litze zum Anschluss an die Batterie
und entrollte vier weitere, die alle am Ende mit einer
kleinen Metallscheibe versehen waren. Alle Leitungen
waren mit der Kupferspule verbunden.
    »Diese Leitungen werden an den Hand- und
Fußgelenken des Mediums angeschlossen«, erläuterte er,
»dann kann der elektrische Widerstand am Messgerät
abgelesen werden. Mrs. Budd, dürfen wir Sie
anschließen?«
    »Sie dürfen mich an Ihren Apparat anschließen, wann
immer Sie wollen«, antwortete sie freudig.
Frederick räusperte sich. »Schön. Könnte eine der
Damen so freundlich sein, die Leitungen an Mrs. Budds
Fußgelenken anzubringen? Die Sache ist delikat... «
Doch Mrs. Budd sah keinen Anlass, Umstände zu
machen. »Ach wo«, sagte sie, »genieren Sie sich nicht,
mein Lieber, dann riskiere ich wenigstens keinen
Stromschlag. Außerdem haben Sie eine spiritistische
Begabung. Das habe ich gleich gemerkt, als ich Sie
gesehen habe --- Sie strahlen so ein gewisses Etwas aus.
« »Oh«, sagte Frederick, dem Jims breites Grinsen nicht
entgangen war. »Wenn es so ist...
Mit den elektrischen Leitungen in der Hand kroch
Frederick unter die Tischdecke, während die
spiritistischen Damen und Herren ein wenig ratlos waren
angesichts der offenkundigen Unschicklichkeit, dass ein
junger Mann sich an den Fußgelenken einer Dame zu
schaffen machte, und dabei eine nicht minder
offenkundigere Spiritualität zwischen den beiden
Partnern herrschte. So verlegten sie sich auf Geräusper,
floskelhafte Reden oder diskretes Wegschauen. Nach
einer Minute tauchte Frederick wieder auf und
verkündete, Mrs. Budd sei angeschlossen.
»Und wie zartfühlend Sie es gemacht haben«, wusste
Mrs. Budd zu berichten. »Ich habe Ihre Berührung kaum
gespürt, was für begnadete Hände!«
»Gut«, sagte Frederick, während er insgeheim Jim einen
Tritt ans Schienbein versetzte, »können wir jetzt den
Apparat ausprobieren?« Er legte einen Schalter um, und
sogleich sprang die Nadel des Messgeräts bis zur Mitte
der Skala.
»Erstaunlich«, verkündete Mrs. Budd, »es prickelt gar
nicht mal. « »Oh, seien Sie beruhigt, Mrs Budd; der
Strom ist nur schwach. Nun, meine Damen und Herren,
dürfte ich Sie bitten, Ihre Plätze am Tisch
einzunehmen?«
Nach allgemeinem Stühlerücken machten es sich die
Spiritisten, zusammengepfercht am Tisch, so bequem wie
möglich. Frederick saß an einer Seite neben Mrs. Budd,
den Elektro-Dermographen vor sich. Jim wurde, noch
ehe er sich retten konnte, von einer beringten Hand
ergriffen und ebenfalls in den Kreis gezogen. »Bitte, Mrs.
Wilcox, die Lampen«, sagte Mr. Freeman Humphries,
worauf die Gastgeberin die Gaslampen eine nach der
anderen herunterdrehte, ehe sie wieder ihren Platz am
Tisch einnahm. Nur noch ein schwaches Dämmerlicht
sickerte durch. Es wurde still in der Runde.
»Können Sie Ihren Apparat noch erkennen, Dr.
Semple?«, fragte eine tiefe Stimme.
»Ohne Schwierigkeiten, danke. Die Nadel ist mit
Leuchtfarbe überzogen. Mrs. Budd, wenn Sie bereit sind,
kann es losgehen. « »Das bin ich, lieber Herr Doktor«,
gurrte sie. »Meine Damen und Herrren, würden Sie bitte
einander die Hände geben?« Hände tasteten nacheinander
und schlossen sich zu einem Kreis um den Rand des
Tisches. Frederick schaute auf den Kasten hinunter, seine
rechte Hand lag in Mrs. Budds warmer, feuchter Hand,
seine linke hielt die knochigen Finger des blassen
Mädchens zu seiner Linken. Kein Laut war zu hören.
Nach einer Weile tat Mrs. Budd einen langen, tiefen
Seufzer. Der Kopf war ihr nach vorn gefallen, wie wenn
sie eingenickt wäre. Plötzlich wachte sie auf und begann
zu reden - mit einer Männerstimme. »Ella?«, sagte sie.
»Ella, mein Schatz?« »Oh! Charles --- Charles, bis du
es?«
»Ich bin es wirklich,

Weitere Kostenlose Bücher