Der Schatten im Norden
muss, ein Mann mit
seinem Talent... Aber er ist in großer Gefahr, Mr. Taylor,
in schrecklicher Gefahr. Er... Was kann ich nur tun?«
»Er könnte schlicht die Wahrheit sagen. Er könnte in die
Burton Street kommen --- er weiß, wo das ist --- und mit
mir und meinem Partner Fred Garland reden. Wenn er
wirklich in Gefahr ist, dann ist das das Beste, was er tun
kann. Aber er muss schon offen mit uns sein. «
Sie zeichnete mit ihrem Fingernagel ein Muster auf die
Tischdecke. »Wissen Sie«, sagte sie nach einer Weile,
»er ist sehr empfindsam und voller Fantasie. Als Künstler
hat er mehr Gefühl als die meisten von uns. Ein feineres
Organ... «
Jim schwieg. Der einzige Künstler, den er gut kannte,
war Webster Garland, und der war ein harter Bursche.
Was ihn zum Künstler machte, waren seine
Unbeirrbarkeit und sein wunderbares Auge, aber keine
Neigung zu Hirngespinsten.
»Es ist so«, sagte er schließlich. »Wenn es um
irgendeinen anderen Kauz ginge, würde mich das nicht
weiter aufregen. Aber wir versuchen etwas
herauszufinden, nicht über Mackinnon, etwas anderes ---
aber er steckt auf irgendeine Weise mit drin. Es geht um
Betrug, um finanzielle Schiebereien, um spiritistischen
Humbug, um krumme Touren --- vielleicht um noch
Schlimmeres. Was hat er dabei getan? Und wie ist er da
hineingeraten?«
»Ich habe ihn in Newcastle kennen gelernt«, erzählte
sie. »Er war so freundlich zu mir. Er stand damals noch
am Anfang seiner Karriere. Er erklärte mir, er könne
seinen richtigen Namen nicht auf der Bühne verwenden
--- eigentlich heißt er gar nicht Mackinnon -, weil dann
sein Vater dahinter käme und ihn kaltstellen würde. «
»Wie das?«
»Das hat er so gesagt. « »Gut, aber wer ist denn sein
Vater?«
»Das wollte er mir nie verraten. Irgendeine hoch
gestellte Persönlichkeit. Dann war da noch eine
Erbschaftsgeschichte --- ein Familienschatz oder
dergleichen ---, und er hat alles für seine Kunst
aufgegeben. Doch sein Vater fürchtete, er könne Schande
über die Familie bringen. «
»Hmm«, brummte Jim ungläubig. »Und was hat diese
Type Bellmann damit zu tun? Wie hängt der damit
zusammen?« lsabel Meredith schaute weg. »Ich glaube«,
flüsterte sie, »es könnte ein Mord dahinter stecken. «
»Sprechen Sie weiter. «
»Direkt hat er es nie gesagt. Aber... Er hat Andeutungen
gemacht. Es hat etwas mit dem hier zu tun. «
Damit öffnete sie eine Schublade und holte eine
Brieftasche hervor. Daraus entnahm sie einen vergilbten
Zeitungsausschnitt. Er trug kein Datum.
>Sensationeller Mordfall Im Eis konserviert< Eine sensationelle Entdeckung wurde vergangenen
Monat in der sibirischen Taiga gemacht. Ein Jäger hatte
eine Männerleiche gefunden, die im Eis eines
zugefrorenen Flusses steckte. Anfangs glaubte man, das
Opfer sei ins Wasser gefallen und dann ertrunken, aber
nach genauerer Untersuchung stellte sich heraus, dass der
Mann mehrere Stiche in Hals und Brust hatte.
Es gibt keinerlei Hinweise auf die Identität des Mannes,
und hätte ihn der Jäger nicht gefunden, wäre seine Leiche
von der Frühlingsflut ins Arktische Meer fortgetragen
worden und spurlos verschwunden.
Der Fall hat in Russland großes Interesse geweckt, wo
das Verschwinden
Hier brach der Text ab. Jim schaute enttäuscht auf.
»War auf dem Ausschnitt ein Datum?«, fragte er. »Ich
weiß es nicht. Ich fand ihn, als... Er ist ihm aus dem
Mantel gefallen. Als er sah, dass ich das Papier bemerkt
hatte, wurde er blass. Es habe in ihm schlimme Visionen
ausgelöst, sagte er... Wissen Sie warum, Mr. Taylor?
Verstehen Sie den Zusammenhang?« Jim erinnerte sich
an Nellie Budds Stimme aus dem Dunkel: »Er ist immer
noch da, in einem Glassarg... « Tatsächlich, da besteht
ein Zusammenhang, dachte er. Die Leiche im Eis, der
Kampf in Mackinnons Vision, Blut im Schnee...
»Kennen Sie eine Frau namens Nellie Budd?«, fragte er.
»Nein«, sagte sie verwirrt. »Wer ist das?«
»Sie ist ein, wie heißt es doch gleich, ein Medium. Mit
Mackinnon hat sie nichts zu tun, nur dass dieser
Zeitungsausschnitt zu etwas passt, was sie einmal in
Trance gesagt hat. Kann ich ihn behalten?« Sie zögerte.
Er erriet, dass sie nichts aus der Hand geben wollte, was
irgendwie mit Mackinnon zusammenhing.
»Es muss nicht sein«, fuhr er fort. »Ich schreibe mir den
Text rasch ab. Hat er vielleicht sonst noch etwas dazu
gesagt?« Sie schüttelte den Kopf. Während er in sein
Notizbuch schrieb, sagte sie: »Ich weiß einfach nicht,
was ich machen soll, Mr. Taylor. Ich liebe ihn so
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