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Der Schatten im Wasser

Der Schatten im Wasser

Titel: Der Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger Frimansson
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Kreuzschraubenzieher hervorgeholt, das Fenster losgeschraubt und es mit Mickes Hilfe auf den Boden gewuchtet.
    »Ist das wirklich okay, was wir hier tun?«, flüsterte Micke.
    »Anders kommen wir ja nicht rein. Halt jetzt die Klappe und hilf mit.«
    In dieser Situation hätte es sowieso keine Möglichkeit gegeben, sich abzusetzen, dachte Micke hinterher, als sie schon wieder auf dem Weg in die Stadt waren. Und zu diesem Zeitpunkt war ihm auch klar, was er die ganze Zeit geahnt, aber krampfhaft verdrängt hatte. Einbruch. Darauf lief der Job nämlich hinaus.
    Er verspürte einen sauren und modrigen Geschmack im Mund und bekam leichte Panik. Sie waren durch das Fenster eingestiegen, und während Micke die beiden Computer, den Farbdrucker und das nagelneue Kopiergerät vom Netz nahm, machte Robin eine Blitztour durch den Rest des Hauses. Er kam mit einem MP3-Player, einer Digitalkamera und einem Handy zurück und verstaute alles in einem Plastikbeutel. Sie verließen das Haus durch den Haupteingang und verfrachteten alle Geräte in den Bus. Fein säuberlich schlossen sie dann die Haustür und fuhren los.
    Sie nahmen den alten Weg nach Stockholm zurück. Robin hatte sich mittlerweile entspannt und saß pfeifend und singend hinterm Steuer.
    »Du verstehst doch«, sagte er und gab Micke einen Knuff in die Seite, »dass solche empfindlichen Geräte wie diese nun wirklich keinen Baustaub vertragen.«
    »Aber das Autokennzeichen!«, flüsterte Micke. »Die Tante, die uns gesehen hat, die mit dem Hund. Wenn sie nun von zu Hause aus die Bullen angerufen hat?«
    Robin lachte. Seine Zähne waren mit schwarzen Plomben gefüllt.
    »Du Dummkopf, du glaubst doch nicht allen Ernstes, dass ich die alten Schilder dranbehalte? Ich tausche sie natürlich aus. Wir fahren gleich hier in den Wald und regeln das.«

ES GAB EIN PAAR BILDER, die sich in Justines Netzhaut eingebrannt hatten. Das eine Bild zeigte Flora und das Kind. Sie stand am Fenster in dem engen Raum und hielt es an ihren Oberkörper gedrückt, als wollte sie ihm die Brust geben, ihre milchlose, leere Brust.
    Es war ein kleiner Junge, viel zu früh geboren. Ein kleiner blauer und schlaffer Junge.
    Das andere Bild zeigte ihren Vater, wie er mit dem Karton kam, einer gewöhnlichen Pappschachtel, die als Schuhkarton gedient haben konnte. Seine Schultern waren eingefallen, und sein Gesicht hatte sich mit der ihm eigentümlichen Nase und den grau angelaufenen Zähnen in das eines Tieres verwandelt. Sie rief nach ihm und setzte sich mühsam im Bett auf, ihre Stimme war dünn und piepsig, ohne jeglichen Ausdruck.
    Der Junge hatte aufgehört zu trinken, aufgehört zu atmen.
     
    Nahezu während der gesamten Schwangerschaft hatte Flora versucht, es aus ihr herauszupressen, herauszubekommen, wer der Vater war. Als hätte jemand sie vergewaltigt! Mädchen in Justines Alter waren zu jung für den sexuellen Umgang mit dem anderen Geschlecht. Sie waren noch nicht volljährig.
    Ihre fliegenbeinähnlichen Augenwimpern flatterten.
    Wir werden ihn drankriegen, verlass dich darauf! Was für ein Unhold, was für eine Untat! Er wird jedenfalls für das, was er dir angetan hat, gründlich bestraft werden. Soll er doch im Gefängnis schmoren.
    Gewalt?
    So war es nicht. Aber das würden sie niemals verstehen.
     
    Er wohnte hinter den Eichen bei Lövsta in der alten Kate, die inzwischen abgebrannt oder abgerissen worden war. Eine ganze Weile später war Justine einmal dort gewesen, doch da standen nur noch die Grundmauern und der Baum mit den harten Äpfeln. Es war Juni, und weiße Blütenblätter segelten wie Schnee von den Zweigen.
    Sie hatte seine Existenz vor allen anderen verheimlicht. Sie nannte ihn den Jäger, sein richtiger Name war ihr egal. Damals war sie ungefähr vierzehn fahre alt. Und er viel, viel älter.
     
    Um sie sich vom Leib zu halten, schloss er die Tür ab. Hielt sich versteckt, wanderte am Ufer des Sees entlang. Nur die Katze lag auf dem Treppenabsatz in der Sonne. Justine strich über ihr elektrisierendes Fell, während sie darüber nachdachte, wie sie ins Haus gelangen konnte. Kroch dann in sein Bett, lag dort und wartete.
    »Was willst du von mir?«, fragte er jedes Mal, während er sie sorgenvoll anschaute. »Ich habe dir gesagt, dass du nicht mehr herkommen sollst. Das, was wir miteinander machen, ist verboten.«
    Sie lag auf seiner Decke und lachte. Es war ein neues und verspieltes Lachen, das plötzlich einfach in ihr aufgebrandet war. Es vermittelte ihr ein

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