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Der Schatten im Wasser

Der Schatten im Wasser

Titel: Der Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger Frimansson
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hat. Nüsse, oder? Tommy hat jedenfalls irgendetwas gegessen, das er nicht vertrug. Haben Sie eine Ahnung, was das gewesen sein könnte?«
    »Ich weiß nicht«, antwortete sie lahm.
    »Es schien so, als hätte er gerade gegessen. Stimmt das? Waren Sie beim Essen, als es passierte?«
    »Pilze. Er hatte Pfifferlinge gesammelt. Er war mit unserer Tochter im Wald. Wir haben Pilzbrote gemacht, er liebt Pilzbrote, wir saßen in der Küche und haben gegessen. Und dann auf einmal …«
    »Pilze? Ja, vielleicht. Ich vermute jedoch, dass er solche Reaktionen schon früher gezeigt hat. Nur natürlich nicht so ausgeprägt. Wissen Sie, ob das stimmt?«
    »Ja.«
    »Hatte er denn kein Epipen? Also Adrenalinspritzen?«
    »Spritzen und Tabletten … aber wir wussten nicht, wo, wir haben im ganzen Haus gesucht, aber die Spritzen waren weg.«
    »Es tut mir sehr, sehr leid. Gibt es jemanden, der sich um Sie kümmern kann, oder soll ich jemanden zu Ihnen nach Hause schicken?«
    »Das brauchen Sie nicht. Meine Tochter ist hier.«
    »Wie alt ist Ihre Tochter?«
    »Sechzehn.«
    »Sie können auch gern hier ins Krankenhaus kommen, wenn Sie möchten. Es ist manchmal hilfreich, wenn man seinen Mann, beziehungsweise Papa noch einmal sehen kann. Ich gebe jedenfalls allen Angehörigen diesen Rat. Also, natürlich nur, wenn Sie die Möglichkeit haben.«
    »Ja«, antwortete sie. »Wenn ich die Möglichkeit habe.«
     
    Sie ging in die Abstellkammer und zog den Karton mit den Weihnachtssachen hervor. Es war ein ziemlich großer Karton, als Christa noch klein war, hatte Ariadne ihn mit buntem Weihnachtspapier eingeschlagen. Warum eigentlich?, dachte sie jetzt. So sinnlos. Sie nahm den Deckel ab und holte die zusammengefaltete Unterlage aus Sackleinen heraus, die sie immer unter dem Weihnachtsbaum liegen hatten, der Stoff war ausgefranst und hässlich und mit lauter Harzflecken verschmiert. Sie stammte aus Tommys Familie, dort wurde sie benutzt, als er selbst noch ein kleiner Junge war.
    Unter dem Sackleinen befand sich eine Lage mit Weihnachtskugeln. Sie nahm sie heraus und legte sie solange in den Deckel. Mit beiden Händen schob sie dann einige Lagen Lametta zur Seite, um an Tommys kleinen schwarzen Rucksack zu gelangen. Schnell legte sie die Weihnachtsutensilien wieder zurück und machte den Deckel zu. Stellte den Karton wieder an seinen Platz.
    Der Autoschlüssel lag im Außenfach des Rucksacks. Sie zog sich Schuhe an und schlich hinaus zum Carport. Drückte auf die Fernbedienung, öffnete die Autotür und warf den Rucksack auf den Rücksitz hinter dem Fahrersitz. Dann schloss sie wieder ab und kehrte ins Haus zurück.

ES WAR WIE EIN ZEICHEN. Eines Tages, an einem ganz gewöhnlichen Montag, war es einfach da, und plötzlich wusste er: Jetzt ist es so weit. Er hatte zusammen mit Robin noch ein paar Transportfahrten durchgezogen, und alles war gut gegangen, er hatte sich von seinem anfänglichen Entsetzen und seinen Angstgefühlen freimachen können. Zuerst hatte er angenommen, dass man ihnen beiden unweigerlich ansehen müsse, in welch zwielichtiger Angelegenheit sie unterwegs waren. Aber dem war keineswegs so. Sie trugen ihre pfiffige Verkleidung, die Arbeitsjacken mit dem Firmenlogo, und verhielten sich so, dass jeder, der vorbeiging, genau lesen konnte, was auf ihren Rücken geschrieben stand. Fracht & Transport Service. Was für ein genialer Name!
    Natürlich würde es nicht unendlich weitergehen, das begriffen sie beide. Aber ein paar Mal wohl schon noch, ein paar Mal. Sodass sie ein wenig mehr Geld zusammenbekämen.
    Robin schuldete ihm inzwischen ein paar Tausender.
    »Komm morgen vorbei«, hatte er ihn vertröstet. »Die waren noch nicht so weit mit der Übergabe. Aber morgen dann.«
    Er hatte ihn schon öfter auf den nächsten Tag verwiesen, und manchmal hatte er nicht einmal geöffnet, wenn Micke klingelte.
    »Es hat sich etwas verkompliziert«, erklärte er dann hinterher auf dem Handy. »Die Branche ist manchmal leider etwas unberechenbar. Aber du bekommst deine Knete schon, don’t worry. Wir sind doch Kumpel, du und ich. Oder? Wir können einander jedenfalls vertrauen.«
    War er inzwischen völlig durchgeknallt? Seine Augen hatten das letzte Mal so trübe gewirkt. Sie sahen wie rot geränderte schmale Schlitze aus und wirkten dennoch irgendwie weit aufgerissen. Außerdem klang seine Stimme ungewohnt hell und leicht überdreht.
    »Ich glaub, ich krieg ’ne Väkäldung«, nuschelte er, er konnte sich nicht mehr klar

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