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Der Schatten im Wasser

Der Schatten im Wasser

Titel: Der Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger Frimansson
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erzählt.«
    »Ich weiß.«
    »Sowohl der Polizei als auch ihrem Mann.«
    »Ja, ich weiß.«
    »Zweimal war sie hier. Wir haben zusammengesessen und eine Weile geredet, ich habe vergessen, worüber. Was willst du hören?«
    »Was glaubst du, warum sie gekommen ist? Was wollte sie?«
    »Ich weiß es nicht. Sie war vorher auf dem Friedhof gewesen.«
    »Aha.«
    »Wir saßen zusammen und haben über Gott und die Welt geredet. Dann ging sie wieder. Das letzte Mal war sie ziemlich angetrunken, das weiß ich noch. Sie hatte einiges intus, sowohl Glögg als auch Wein. Sie wirkte, gelinde gesagt, labil.«
    »War sie richtig betrunken?«
    »Ja.«
    »Glaubst du, sie könnte möglicherweise ins Wasser gefallen sein?«
    »Der See war gefroren. Und außerdem ging sie nicht in Richtung See. Ich hab sie weggehen sehen, ich stand drinnen am Fenster und schaute ihr nach, da ich Angst hatte, dass sie hinfallen könnte. Sie trug eine karierte Schirmmütze, glaube ich, ich sah sie den Berg hinaufwanken.«
    »Ja, und ein Taxi, konnte sie denn kein Taxi nehmen?«
    »Ich hab sie gefragt, willst du denn nicht lieber ein Taxi nehmen, ich bezahle es, wenn du willst. Ich dachte, sie hätte vielleicht kein Geld.«
    »Und was antwortete sie darauf?«
    »Sie wollte es nicht. Sie wollte lieber zu Fuß gehen, um wieder klar im Kopf zu werden, glaube ich. Auszunüchtern. Nein, ich laufe lieber, sagte sie. Da war sie stur.«
    »Aha.«
    »So war das.« Justine zog den letzten Tampen aus der Schwimmweste und streifte sie vollständig ab.
    »Ich muss noch einmal fragen, was war der eigentliche Grund dafür, dass sie herkam, was glaubst du?«
    Die Frau, die Justine hieß, runzelte die Stirn.
    »Keine Ahnung«, entgegnete sie mürrisch.
    »Ich bin recht gut mit ihrem Ehemann befreundet. Er erwähnte einmal, dass Berit begonnen hatte, sich mit dem, was in der Schulzeit passierte, auseinanderzusetzen. Als wir klein waren, du weißt schon. Wir … wir haben uns ja nicht gerade wie die Engel verhalten. Wenn ich das so sagen darf.«
    »Kinder sind eben so.«
    »Ja, das stimmt. Aber ich hatte den Eindruck, dass es ihr leid tat, was wir und die anderen dir angetan haben. Dass wir dich sozusagen … gehänselt haben, und so weiter. Und ich habe auch manchmal daran gedacht. Das gebe ich zu.«
    »Ja.«
    Jill zuckte mit den Schultern.
    »Man war irgendwie so …«
    »Kinder sind eben so«, kam es erneut.
    »Aber kannst du dich denn erinnern, ob ihr darüber gesprochen habt? Hat sie es angesprochen?«
    »Nein. Ganz und gar nicht. Sie hat sich hauptsächlich darüber geärgert, dass sie und dieser Tor nicht miteinander harmonieren. Wenn ich mich nun richtig erinnere.« Sie lachte gekünstelt. »Man wird ja auch nicht jünger. Und Alzheimer liegt sozusagen in der Familie.«
    »Aber dass sie ausgerechnet zu dir kam und mit dir darüber sprach. Ein derart intimes Thema, sie kannte dich doch gar nicht, ich meine, das ist doch etwas, was man …«
    »Zufall«, unterbrach Justine sie. Sie lehnte die Schwimmweste gegen die Hauswand. Ihre Jackenärmel waren feucht. »Sie kam zufällig vorbei und hat mich gesehen.«
    »Meinst du?«
    »Ja.«
    »Du hast also keine Ahnung, wo sie hingegangen sein könnte? Gib zu, dass das etwas mysteriös klingt. Dass jemand sich einfach in Luft auflöst.«
    »Ja, natürlich ist das merkwürdig. Aber so etwas passiert manchmal.«
    »Und du hast keine Ahnung …?«
    »Nein, hab ich doch gesagt. Und jetzt entschuldige mich, ich muss rein.«
    »Okay, ich verstehe. Danke jedenfalls.«
    Die Enttäuschung wuchs wie ein Kloß in ihrem Hals. Gleichzeitig wurde ihr bewusst, wie dringend sie ihre Blase entleeren musste. Der bloße Gedanke daran, sich ins Auto zu setzen und loszufahren, war unerträglich.
    »Verzeihung, ich will dich nicht länger aufhalten«, brachte sie hervor. »Ich werde jetzt gehen, aber vorher … könnte ich bitte kurz reinkommen und deine Toilette benutzen?«

SIE STAND IN IHREM Garten, als er kam. Unbeweglich, als hätte sie gewartet. Dieses Mal parkte er seinen Wagen direkt vor der Pforte, denn jetzt gab es keinen Grund mehr, sich anzuschleichen. Als er über den Kiesweg ging, knirschte es, und seine Schuhe erzeugten ein singendes Geräusch. Eine plötzliche Erinnerung aus seiner Kindheit, die Enttäuschung darüber, dass seine kleinen Kinderfüße nicht das gleiche laute Knirschen erzeugten wie Nathans Erwachsenenschuhe. Sein Vater hatte es mit einem Scherz abgetan, hatte nicht begriffen, was er meinte.
    »Nicht mehr lange, und

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