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Der Schatten im Wasser

Der Schatten im Wasser

Titel: Der Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger Frimansson
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Dialekt. Und das taten die anderen nicht. Als ich dann wieder nach Stockholm kam, sprach ich allerdings Burträsker Dialekt. Aber ich war stark, verstehst du. Ich habe mir Respekt verschafft.«
    Sie hatte Schwierigkeiten, sich Tor als jemanden vorzustellen, der seine Fäuste benutzte.
    Sie lehnte sich an ihn und schloss die Augen.
    »Es war eine schöne Reise, die wir gemacht haben«, hörte sie seine Stimme irgendwo über ihrem Kopf. Sie nickte.
    »Jill, ich habe …«
    Sie holte ihre Arme unter der Decke hervor und zog ihn an sich. Zog ihn hinunter auf die Matratze und hüllte sie beide in die Decke.
    »Wir ruhen uns eine Weile aus«, flüsterte sie. »Ich glaube, wir haben es nötig. Du, und ich auch.«

ES KAMEN REGNERISCHE TAGE mit heftigem Wind, der das Wasser schwarz färbte und es in wütenden Wellen aufbrausen ließ. Sie dachte daran, dass sie das Ruderboot bald aus dem See holen musste, dass es nicht wieder liegen bleiben durfte, wie letztes Jahr. Das Holz hatte ziemlich darunter gelitten.
    Hans Peter schienen ihre Bootsfahrten immer stärker zu irritieren.
    »Fahr bitte nicht schon wieder mit diesem verdammten Boot raus, es ist viel zu kippelig.«
    Nein, ich werde es nicht tun, nur noch heute … und morgen vielleicht … bin noch nicht bereit, die Kontrolle aufzugeben.
    Wenn Hans Peter noch schlief, streifte sie sich die Schwimmweste über und ruderte hinaus. Es schaukelte, und das Wasser spritzte und schlug in Kaskaden über die Reling. Sie hielt krampfhaft die Ruder fest. Hatte Schwierigkeiten zu steuern und das Boot zu manövrieren. Sie dachte an den großen Motorsegler ihres Vaters, den sie gelernt hatte zu lenken, der jedoch vor langer Zeit in einer späten Mittsommernacht von einem schnell fahrenden Motorboot gerammt wurde, als er vertäut am Steg lag. Der Bootsführer war betrunken, ein Mann in ihrem Alter. Er musste lange Zeit im Krankenhaus verbringen.
    Justine hatte sich nie darum gekümmert, den Segler reparieren zu lassen. Das Ruderboot reichte ihr.
     
    Hier vielleicht? Sie wusste es nie so genau, glaubte sich zu erinnern, jedes Mal an anderer Stelle. Sie warf den Anker über Bord, er fiel mit einem dumpfen, widerwilligen Klatschen ins Wasser. Dann legte sie die Ruder sorgfältig ab, sodass sie nicht aus den Dollen rutschen und hineinfallen konnten. Unerreichbar für sie wurden. Hier draußen umherzutreiben, riskieren zu kentern … Sie kontrollierte nervös die Riemen ihrer Schwimmweste.
    Ob sich wohl in diesem Jahr eine Eisschicht bilden würde? So, wie es damals der Fall gewesen war. Alles wurde erträglicher, wenn sich das Eis über dem Wasser schloss. Sie fühlte sich freier, konnte besser entspannen. Doch selbst dann lauerten Gefahren. An kristallklaren Wintertagen konnte es passieren, dass Eisfischer stundenlang draußen in der Bucht hockten. Das machte sie rastlos, verleitete sie dazu, sich mit dem Fernglas in die Bibliothek zu schleichen und jede, auch die geringste ihrer Bewegungen, genauestens zu studieren.
    Doch meistens verdrängte sie es. Es. Sie verdrängte es, und dennoch geschah es, dass die Fragen in ihrem Kopf Gestalt annahmen und sich zu klaren Sätzen formten: Wie lange dauert es, bis eine menschliche Leiche vom Süßwasser aufgelöst wird? Und Kleider, Plastik und Holz? Wie viel Zeit muss vergehen, bis alle Spuren vollständig vernichtet sind? Bis man sicher sein kann? Das Gerüst des Schlittens würde sicher noch einige Jahrzehnte dort liegen, bis der Rost es zerfressen hätte. Doch ein Schlitten stellte keine Bedrohung dar. Zähne, Haare und Haut hingegen schon.
    Sie hatte eine Schnur verwendet, um den leblosen Körper festzubinden. Eine gewöhnliche Haushaltsschnur von der Rolle. Und dann das Halstuch, das sie fest um Berits Hals geschlungen hatte. Wie lange konnte eine Schnur einen Körper auf einem Schlitten halten?
     
    Es passierte, dass sie ein Auge erblickte. Wenn sie von der Ruderbank hinabglitt, sodass sich die nassen, harten Bodenplanken mit ihrer Riffelung gegen ihre Kniescheiben pressten und einen brennenden Schmerz erzeugten. Wenn sie den Oberkörper über die Reling beugte und ins Wasser schaute. Dann konnte sie es manchmal erblicken. Ein trübes Auge mit stummem Blick, das sie durch Algen und Wasserpflanzen hindurch anglotzte. Sie hielt dem Blick stand, zwang sich dazu, während der Magensaft nach oben in ihre Kehle drang.
    Hier ist es also, wie soll ich es nur kennzeichnen?
    Wasserflächen, so weit das Auge reicht, und ausgerechnet in dieser Situation

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