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Der Schatten von nebenan - Roman

Der Schatten von nebenan - Roman

Titel: Der Schatten von nebenan - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Saur
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leiser Stimme.
    »Hatten Sie Angst?«
    »Ja, Sir.«
    »Miss, können Sie bitte für die Geschworenen ein bisschen lauter sprechen?«
    »Ja, Sir, ich hatte Angst. Er ging mir hinterher.«
    »Er folgte Ihnen? Er hätte doch jedes Mal eine Reihe von Besorgungen machen können, die ihn in dieselbe Richtung führten – sie lebten immerhin in ein und derselben Straße.«
    »Er verfolgte mich«, beharrte Greta.
    »Sie nahmen also an, wenn Sie Shelby sahen, dass er Ihnen folgte?«
    »Ja, das sagte ich gerade.«
    »Fühlten Sie sich bedroht?«
    Ihre Augen weiteten sich.
    »Ja, das tat ich.«
    Greta erzählte den Geschworenen als nächstes, wie ich bewaffnet mit einem Messer in das Apartment geklettert gekommen sei und sie gefesselt und geknebelt hätte. Greta beschrieb das Apartment über dem Bücherladen als ihre und Priscillas Zuflucht, wo die Mädchen in der Lage waren zu reden und zu lesen, ein Ort der Ruhe und mädchenhaften Freundschaft, den ich ausspioniert hätte und in den ich brutal eingedrungen sei. Monty unterbrach und versuchte, mit ein paar gezielten Fragen die Geschworenen davon zu überzeugen, dass ich von Beginn an nicht vorgehabt hätte, die Mädchen laufen zu lassen, da ich sonst mein Gesicht nicht so sorglos gezeigt hätte.
    Von da an ging es weiter bergab. Greta erzählte den Geschworenen Einzelheiten von dem Martyrium, berichtete, wie sie zum Beispiel die ganze Woche halbgefrorene Cheeseburger und warme Dr.-Pepper-Dosen aus dem 99-Cent-Laden in Brooklyns 5th Avenue essen und trinken hätten müssen, was Greta an den orangenen Preisaufklebern erkennen habe können. Sie erzählte, wie die Toilette in dem verlassenen Apartment nur aus einem Eimer bestanden, und dass es kein fließendes Wasser gegeben hätte. Greta fuhr fort und sprach von den Knebeln und dem Schmerz im Kinn und wie ihr Kiefer einmal ausgerenkt worden und von mir gewalttätig mit einem Hieb aufs Kinn wieder in Position gebracht worden sei, aber erst nachdem sie einen Tag lang vor Schmerz der Ohnmacht nah war. Und sie erzählte, wie ich nichts getan hätte, um die Hanfschnüre zu lockern, mit denen die Mädchen festgebunden gewesen seien, als Priscilla wegen der Einschnitte geweint hätte, eine Behauptung, gegen die mein Verteidiger Einspruch erhob, darauf hinweisend, dass laut dem Bericht des Gerichtsmediziners die Schnitte und Verrenkungen um die Handgelenke ihrem Mitopfer erst post mortem zugefügt worden waren. Richter Lorimer hatte wenig Wahl als dem Einspruch meines Verteidigers stattzugeben, und Monty warf mir einen verachtenden Blick zu, als wäre ich ein Bauchredner, der dem Einspruch aus dem Zwerchfell stattgegeben hätte. Dieser kleine Erfolg erwies sich aber als so bedeutungslos wie eine einzige richtige Zahl im Lotto. Monty befand sich bald wieder auf dem richtigen Weg, fuhr fort mit seiner Befragung auf die ihm eigene langsame und entschlossene Art, und Greta beantwortete seine Fragen weiter in ihrer klaren und gleichmäßigen Stimme, und mit jedem Wort strickte sie weiter an dem Dokument, das in dem Gerichtssaal im Entstehen war. Für eine Weile schlich sich eine gewisse Monotonie in die Frage-und-Antwort-Sitzung, so wie es klingt, wenn ein Lehrer seinen Lieblingsschüler ausfragt, eine verlässliche Melodie, die bar jeder Überraschung ist.
    Als würde sie selbst plötzlich den unveränderten Klang ihrer Aussage bemerken, unterbrach Greta Montys Befragung. »Ich sagte ihm, er soll sie in Ruhe lassen und mich nehmen«, schniefte sie.
    »Sie wollten was für das Mädchen tun?«, fragte Monty und versuchte die Stimme eines sanften Beschützers anzunehmen, war aber kaum in der Lage, seine Aufregung zu kontrollieren. Greta flüsterte mit weinerlicher Stimme: »Ich wollte nicht. Aber ich hätte es getan, ja.«
    »Sie wären für sie gestorben?«, sagte Monty. Es gab ein zusätzliches Nicken, und damit war der Ton festgelegt. Greta hatte sich mir, ihren Eltern und den Geschworenen gegenüber als moralisch überlegen etabliert.
    Der Name meines gesetzlichen Strafverteidigers war James Hall. Seine Kleiderwahl war weniger auffällig als jene Montys. Er ging so aufrecht, dass sein Rücken sich nach innen bog. Nach dem ersten Tag der Anhörung fragte ich ihn in dem kleinen, fensterlosen Raum auf halbem Weg von meiner Zelle zum Gerichtssaal, wie Monty die Geschworenen zu überzeugen gedenke, ich hätte tatsächlich auch noch Greta umbringen wollen, nachdem ich Priscilla ermordet hätte. Wie, fragte ich ihn, hätte Amos mir noch getraut,

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