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Der Schatten von nebenan - Roman

Der Schatten von nebenan - Roman

Titel: Der Schatten von nebenan - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Saur
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bereitete. Damit weiterzumachen, was sein Vater geleistet hätte, sei die beste Entscheidung, die er je im Leben getroffen habe, schrieb er weiter. Zurück in Jacksonville, fühlte er sich im Reinen mit sich selbst. Glücklicherweise für ihn, schrieb er, habe sein Vater immer eine freie Stelle für ihn offen gelassen. Er wisse nur nicht, ob er dies aus Weisheit oder aus Dickköpfigkeit getan habe. Er schrieb weiter, dass er von dem kleinen Redaktionsteam willkommen geheißen worden sei. Nach der Hälfte entschuldigte sich Donald Durant dafür, dass er so offen war, aber er wisse so viel über mich, dass es nur gerecht scheine, etwas über sich selbst preiszugeben.
    Endlich schrieb er, dass er mir gerne ein Abonnement in das New-York-County-Gefängnis schicken würde. Aber er warnte mich auch, nicht überrascht zu sein über das Gewicht, das dem Fall Amos in der Zeitung zuteil werde, ja dass ich bald herausfinden würde, dass die Angelegenheit ihn ganz persönlich fessele. Er räumte ein, dass er nicht sicher sei, was er sich davon erwarte, so viel Zeit und Geld zu investieren. Nichtsdestotrotz, schrieb er, plane er auch, nach New York zu kommen, um bei der Verhandlung dabei zu sein, und er hoffe, ich hätte nichts dagegen.
    Damit endete der Brief.
    Ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, dass sein Wortschwall dazu diente, sich wieder mit der Welt der Worte zu verbinden, die sein Vater zurückgelassen hatte, und die der junge Durant jetzt entschlossen war zu füllen.
    Ich spürte aber auch, dass die Geschichte unaufhaltsam weiterblühte, in einen weiteren Konflikt hineingewachsen war, einen weiteren Kosmos betreten hatte. Einige Tage später erhielt ich die erste Ausgabe der »Pique Times«. Von dem Tag an trafen täglich zwei oder drei Nummern ein, als wären die Abstände von der Abonnementabteilung geplant, um mir die Gelegenheit zu bieten, meine eigene Vergangenheit in der Zeitung nachzulesen, der Zukunft von Tag zu Tag ein wenig ihren Vorsprung abspenstig zu machen. Das Datum der ersten Ausgabe war der 28. Oktober 1994. Die »Times« war eine kleinformatige, billig gedruckte Zeitung, und meine Fingerkuppen waren nach der Lektüre der ersten Artikel schwarz gefärbt. Auf der ersten Seite stand eine Geschichte über einen Friseur auf der Main Street, der ein neues Lüftungssystem installiert hatte, gefolgt von einem Bericht über eine Busreise zum Golf von Mexiko, die von der örtlichen Lehrergemeinschaft organisiert wurde. Nach ein paar Seiten fand ich den ersten Artikel, der mein Herz schneller schlagen ließ. Es war Randolph Durants Nachruf. Die Seite war schwarz gerahmt, der Artikel in den höchsten Tönen verfasst. Der Artikel bezog sich auf Randolph Durant als unerschrockenen Autor, als Verfechter einer glasklaren Ethik. Der Nachruf behauptete, dass er ein harter und unnachgiebiger Reporter gewesen sei. Ich erinnerte mich, wie er diese Wörter in unserem Wohnzimmer in Park Slope benutzt hatte.
    Schon bald fand ich meinen eigenen Namen zum ersten Mal gedruckt. Der Artikel war mit Donald Durant unterzeichnet, und es handelte sich um einen detaillierten Bericht über meine Verhaftung. Offenbar hatte Donald Durant mit einigen Polizisten gesprochen, die in Nogales dabei gewesen waren, denn ich stieß auf direkte Zitate der Beamten.
    Von dem Tag an fand ich regelmäßig einen Artikel über den Fall in der Zeitung. Er betitelte die Serie »Die verschwundene Tochter des Schriftstellers«. Wenn es keine Neuigkeiten gab, bot die Zeitung Hintergrundgeschichten über Amos oder mich, oder auch über Claire, wie ich bald herausfinden sollte. Donald Durant hatte Recht gehabt. Es war seltsam, diese Vertraulichkeit mit meinem Fall in der Zeitung zu finden. Ich fragte mich, was die Leser in Florida davon hielten, von diesem Fall eingesäuselt zu werden. Dennoch wurde die »Pique Times« schnell zu meiner verlässlichsten Quelle. Am schmerzlichsten wurde mir das bewusst, als ich erfuhr, was mit Claire geschehen war. Ihr vermeintlicher Unfall in Manhattan war in Verbindung mit den Verbrechen gebracht worden, für die ich angeklagt war. Für die Untersuchungsrichter waren Claires und meine Geschichte eins geworden. Demnach hätte Claire gewusst, was ich mit Greta und Priscilla vorgehabt hatte, sie hätte es aber gleichzeitig versäumt, jemanden über meine Pläne zu alarmieren. Ich verstand schnell, dass die Annahme der wenn auch passiven Komplizenschaft von Claire zu mir auf nichts anderem basierte als darauf, meine

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