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Der Schatten von Thot

Der Schatten von Thot

Titel: Der Schatten von Thot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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deren Auftrag sie das Geheimnis, das so lange verborgen gewesen war, entschlüsseln sollte… Sarah ertappte sich dabei, dass ihr dieser Gedanke gefiel. Denn wenn diese Macht wirklich ihr Schicksal bestimmte, so würde Sarah in den Tiefen des Berges vielleicht das finden, was ihr draußen, in der von Maschinen und Vernunft beherrschten Welt, abhandengekommen war.
    Sinn…
    Die Antwort nach dem Grund aller Mühen…
    »Ich verstehe, was du meinst«, entgegnete sie leise und versuchte ein Lächeln, das Kamal erwiderte.
    Sie nickten einander zu, und gemeinsam betraten sie die Stufen, die nicht nur hinab in die drohende Schwärze führten, sondern auch dreitausend Jahre in die Vergangenheit.
    Der Marsch in die Tiefe dauerte länger, als Sarah vermutet hatte. Immer wieder wurde die Treppe von kurzen Stollengängen unterbrochen, sodass Sarah mehrmals glaubte, ihr Ende erreicht zu haben. Aber immer ging es noch weiter hinab, vorbei an mit Hieroglyphen beschriebenen Felswänden. Einige der Zeichen konnte Sarah entziffern – sie berichteten von den Taten des Gottes Thot am Anbeginn der Schöpfung –, andere hingegen schienen in einem geheimen Code gehalten zu sein, der nur Eingeweihten bekannt gewesen war.
    Vor einigen der unbekannten Zeichen blieb Kamal stehen und betrachtete sie im Schein seiner Fackel. »Wir sind auf dem richtigen Weg«, sagte er nur.
    »Du kannst diese Zeichen lesen?« Sarah war erstaunt.
    »Einige davon. Tezud erfand sie einst, um das geheime Wissen vor Unbefugten zu schützen. Seinen Nachkommen hat er die Kenntnis der geheimen Zeichen übertragen, aber viele davon sind im Lauf der Zeit verloren gegangen.«
    Steil abfallende Stufen führten noch weiter hinab, und zu der Kälte, die in der Tiefe des Berges herrschte und die Sarah frösteln ließ, gesellte sich ein strenger Geruch, der mit jedem Schritt zunahm.
    »Riechst du das auch, Kamal?«, fragte Sarah leise. Die Felswände warfen ihre Worte wispernd zurück.
    »Naram«, bestätigte Kamal grimmig. »Dies ist der Atem des Todes, Sarah…«
    Abrupt endeten die Stufen, und der Stollen ging in einen Schacht über, der schräg in die Tiefe führte und nur rund fünf Fuß hoch war. Außerdem gab es keine Stufen mehr, sondern nur noch in den Stein gemeißelte Rillen, wie sie auch in den Pyramiden zu finden waren. Sarah bückte sich und beschritt den Schacht, dicht gefolgt von Kamal. Die Fackeln waren in der Enge hinderlich, und der Rauch biss in den Augen. Immer steiler führte der Schacht hinab, sodass Sarah und Kamal immer kleinere Schritte machen mussten, um nicht auszugleiten.
    Schließlich war ein Weiterkommen kaum noch möglich. Sarah erwog, das Seil einzusetzen, und suchte gerade nach einer Möglichkeit, es festzumachen, als sie merkte, wie die glatten Sohlen ihrer Stiefel den Halt verloren. Ein spitzer Schrei entrang sich ihrer Kehle, als sie das Gefühl hatte, der Boden würde ihr unter den Füßen weggezogen. Vergeblich suchte sie nach Halt – im nächsten Moment hatte die dunkle Tiefe Sarah Kincaid verschlungen.
    Die Fackel noch in der Hand, rutschte Sarah rücklings den Schacht hinab. Mit atemberaubendem Tempo ging es in die Dunkelheit, aus der Sarah beißender Gestank entgegendrang. Bange fragte sie sich, was sie am Ende des Schachts erwarten mochte – als die halsbrecherische Rutschpartie auch schon endete.
    Der Schacht spuckte sie aus, und Sarah landete mit den Füßen voraus auf hartem Boden. Sie versuchte, den Aufprall in den Knien abzufangen, verlor dabei jedoch das Gleichgewicht und schlug der Länge nach hin. Die Fackel entwand sich ihrem Griff. Einen Augenblick lang blieb Sarah benommen liegen, unmittelbar neben der Fackel, die weiterbrannte und das Gewölbe flackernd beleuchtete. Stöhnend wollte sich Sarah auf die Beine raffen, um zu sehen, wo sie gelandet war, als der Schacht eine zweite Person ausspie. Es war Kamal, der Sarah todesmutig in die Tiefe gefolgt war.
    Auch er landete unsanft auf kaltem Stein, und Sarah half ihm auf die Beine. Gemeinsam blickten sie sich in der Kammer um, die tief im Inneren des Berges lag – und erschraken. Denn aus zahllosen in den Fels gehauenen Nischen starrten ihnen grässliche Fratzen entgegen.
    Die entstellten Gesichter gehörten zu bizarren Gestalten, die entlang der Wände aufgestellt waren und so fremdartig aussahen, dass Sarah einen Moment brauchte, um zu begreifen, dass dies einst Menschen gewesen waren.
    Als makabre Dekoration standen sie in den Nischen: knochige, ausgemergelte Körper,

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