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Der Schatten von Thot

Der Schatten von Thot

Titel: Der Schatten von Thot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Kürze ereignet…«
    »Erst vor Kürze?« Einer jähen Ahnung folgend, blickte sich Sarah in der Straße um. »Das könnte also bedeuten, dass sich der Mörder noch ganz in der Nähe befindet.«
    »Unwahrscheinlich.« Quayle schürzte die Lippen. »Er wird die Gelegenheit genutzt haben, sich rasch aus dem Staub zu machen. Aber er wird allmählich leichtsinnig, und das wird ihm früher oder später das Genick bre…«
    »Inspector! Da!«
    Sarah schrie die Worte laut, sodass Quayle fluchend herumfuhr – gerade rechtzeitig, um die schwarze Kutsche zu erblicken, die nicht weit entfernt die Straße hinab aus einer Gasse schoss und dabei mit dem Dunkel der Nacht fast verschmolz. Vier schwarze Rosse zogen das Gefährt, und auf dem Kutschbock saß ein Mann, der bis zur Unkenntlichkeit vermummt war.
    »Genau wie in du Gards Vision«, flüsterte Sarah atemlos – dann lief sie auch schon los. »Das ist er, Quayle!«, rief sie dabei laut. »Das ist der Mörder!«
    »Was? Woher…?« Einen Augenblick zögerte der Inspector von Scotland Yard. Dann beschloss er, alle Regeln der Kriminalistik in den Wind zu schlagen und weiblicher Intuition zu folgen.
    Im Laufen griff er unter seinen Rock und zog den kurzläufigen Revolver hervor, den er immer dann bei sich zu tragen pflegte, wenn er sich im East End aufhielt. Er feuerte damit in die Luft – der Knall, der von den eng zusammenstehenden Fassaden der Häuser widerhallte, war laut und durchdringend, aber der Kutscher scherte sich nicht darum. Das vermummte Haupt zwischen die Schultern gezogen, ließ er die Peitsche knallen, und mit metallischem Rasseln und unter dem donnernden Hufschlag der Pferde schoss das unheimliche Gefährt davon, die Tenter Street hinab bis zur nächsten Ecke des Karrees. Dort musste der Kutscher die Fahrt verlangsamen, und Sarah und der Inspector holten auf. Dabei sah Sarah etwas, das sie mit namenlosem Entsetzen erfüllte – denn das Wappen auf der Tür der Kutsche war jenes, das du Gard in seiner Vision beschrieben hatte.
    Das Zeichen mit den drei Löwen.
    Das Wappen der königlichen Familie…
    »Stehen bleiben, im Namen von Scotland Yard!«, rief Quayle dem Gefährt mit lauter Stimme hinterher, aber auch das machte auf den Kutscher keinen Eindruck. Im Gegenteil – ein heiseres Lachen entrang sich der Kehle des Mannes, ehe er die Peitsche noch einmal knallen ließ. Dann hatte er die Biegung bereits hinter sich gebracht und ließ die Zügel schnalzen, und die Kutsche rasselte und rumpelte über das raue Pflaster der Ausfahrt der Tenter Street entgegen. Hatte sie erst die Prescot Street erreicht, würde sie im nächsten Augenblick im Gewirr der nächtlichen Straßen verschwunden sein.
    »Schießen Sie!«, forderte Sarah den Inspector auf. »Rasch, bevor er uns entkommt!«
    Quayle biss die Zähne zusammen und rannte noch ein Stück weiter, musste dann jedoch einsehen, dass seine kurzen Beine nicht dazu geeignet waren, mit der Kutsche mitzuhalten. Keuchend blieb er stehen und riss die Waffe in den Anschlag, visierte den Mann auf dem Kutschbock an und wollte feuern – aber es kam nicht dazu.
    Sarah, die darauf wartete, dass der Schuss peitschte, sah aus dem Augenwinkel, wie Quayle zusammenzuckte. Noch im Laufen wandte sie sich um und sah den Inspector in der Mitte der Straße stehen, den Revolver noch in der Hand und die Augen weit aufgerissen.
    »Inspector…?«
    Sie konnte sehen, dass etwas nicht in Ordnung war, und verlangsamte ihren Schritt – während Quayle den Mund zu einem Schrei aufriss. Doch kein Laut kam über seine Lippen. Der Inspector ließ die Waffe fallen. Hilflos ruderte er mit den Armen und tastete nach seinem Rücken. Sarah begriff, dass er Hilfe brauchte, und während die Kutsche den Block verließ und in Dunkelheit und Nebel entschwand, eilte sie zu Quayle zurück. Der Inspector taumelte ihr mit vor Entsetzen geweiteten Augen entgegen und verlor das Gleichgewicht. Sie fing ihn auf, bettete ihn auf das schmutzig nasse Pflaster- und sah den Gegenstand, der aus seinem Rücken ragte. Es war eine gebogene Klinge in der Form einer Mondsichel, die weder Schaft noch Griff besaß, sondern nur aus blankem, scharf geschliffenem Metall bestand. Die mörderische Waffe, die bis zur Hälfte in Quayles Rücken eingedrungen war, war offenbar geworfen worden, und ihr steiler Eintrittswinkel ließ vermuten, dass der Mörder von einem der umliegenden Dächer aus gezielt haben musste.
    Um kein weiteres Ziel abzugeben, ließ Sarah sich bäuchlings auf den

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