Der Schatten von Thot
gesagt, Captain – Kamal ist ein Mitglied dieser Expedition«, stellte Sarah klar, »und er ist auf meine ausdrückliche Einladung hier.«
»Auf Ihre Einladung, Lady Kincaid?« Hayden blieb vor Verblüffung der Mund offen.
»Ganz recht.«
»Sie wollen Weihnachten mit jemandem feiern, der noch nicht einmal daran glaubt, dass der Herr geboren ist?«
»Wir werden ihn sicher nicht davon überzeugen, indem wir ihn wegschicken und ihm sagen, dass er sich zu seinesgleichen scheren soll«, konterte Sarah. »Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen, Captain – aber das ist wohl nicht das Motto, das sich die Armee auf die Fahnen geschrieben hat, oder?«
Ihr Blick war so vernichtend, dass der Offizier darauf nichts zu erwidern wusste. Sarah schenkte ihm weiter keine Beachtung und wandte sich stattdessen Kamal zu, der in diesem Augenblick die Tafel erreichte und dem sichtlich unwohl war in seiner Haut.
»Guten Abend, Kamal«, begrüßte sie ihn freundlich. »Komm, setz dich zu uns. Iss und trink, so viel du möchtest. Heute ist Weihnachten, das Fest der Liebe, und wir pflegen jene zu beschenken, die uns nahestehen.«
»Ich weiß, was Weihnachten bedeutet«, versicherte Kamal.
»Wie schön«, meinte Hayden säuerlich und griff nach seinem Glas. »Dann lass uns auf dein Wohl trinken, Kamal. Wenn du über unsere Gebräuche so gut unterrichtet bist, wirst du auch diesen kennen.«
»Gewiss.« Kamal nickte. »Aber als gottesfürchtiger Mann ist mir das Trinken von Alkohol untersagt.«
»Da haben Sie’s.« Hayden schickte Sarah einen vielsagenden Blick. »Habe ich nicht gleich gesagt, dass mit diesen Muselmanen nichts anzufangen ist?«
»Lassen Sie ihn«, meinte du Gard, während er sich selbst nachschenken ließ. »Trinke ich eben ein Glas mehr. Frohe Weihnachten allesamt – und Friede auf Erden.«
»Frohe Weihnachten«, echoten Sir Jeffrey und Milton Fox und hoben ebenfalls ihre Gläser.
»Und Friede auf Erden«, ergänzte Sarah, die ahnte, dass du Gard diese Worte nicht von ungefähr hinzugefügt hatte.
Sie trank nur wenig, aber in Anbetracht der noch immer vorhandenen Hitze verfehlte der Wein seine Wirkung nicht. Schon nach wenigen Schlucken wurde Sarah klar, dass es besser war, die Finger davon zu lassen, und auch bei Sir Jeffrey, Milton Fox und du Gard machte die Wirkung des Alkohols sich rasch bemerkbar. Ihre Zungen wurden schwer und ihre Stimmen ein wenig lauter. Hayden übte sich als pflichtbewusster Soldat Ihrer Majestät in Zurückhaltung. Es war ihm deutlich anzusehen, dass die Anwesenheit Kamals ihm nicht behagte.
»Kommen Sie schon, Hayden«, forderte selbst Fox in ungewohnter Jovialität. »Schauen Sie nicht so sauertöpfisch drein. Trinken Sie lieber noch ein Glas auf die Zukunft und auf das Wohl des Empire.«
»Nein danke«, gab der Offizier zähneknirschend zurück. »Ich ziehe es vor, nüchtern zu bleiben. Die Feinde des Empire schlafen nicht.«
»Alors, wie poetisch«, meinte du Gard. »Vraiement, mon capitaine, an Ihnen ist ein Schriftsteller verloren gegangen.«
»Wollen Sie mich verspotten, du Gard?«
»Nicht doch.« Der Franzose schaute ihn weinselig an. »Sie sollten einen gut gemeinten Scherz nicht mit böswilligem Spott verwechseln.«
»Ich fürchte, mein guter Maurice, Captain Hayden teilt deinen Humor nicht«, bemerkte Sarah.
»Allerdings nicht«, versetzte Hayden. »Als königlicher Offizier habe ich es nicht nötig, mich von einem hergelaufenen Franzosen beleidigen zu lassen, noch dazu, wo es ein offenes Geheimnis ist, dass…« Er unterbrach sich, um es in vornehmer Zurückhaltung den anderen zu überlassen, sich ihren Teil dazu zu denken, aber du Gard ließ es nicht dabei bewenden.
»Quoi? Sprechen Sie sich ruhig aus, mon capitaine. Es ist in der Tat kein Geheimnis, dass ich hin und wieder den Drachen jage, und Sie sollten froh darüber sein. Denn in gewisser Weise – wenn ich das so sagen darf – hat der Drache uns hierhergeführt. Und Sie dürfen mir in der Tat glauben, wenn ich Ihnen sage, dass ich mich mit meiner Leidenschaft in allerbester Gesellschaft befinde…«
Ein heftiger und reichlich gekünstelt klingender Hustenanfall Sir Jeffreys unterbrach ihn. »Es ist spät«, wechselte der königliche Berater abrupt das Thema. »Sollten wir uns nicht zur Ruhe begeben? Soweit ich gehört habe, steht uns morgen ein anstrengender Tag bevor, wenn wir Hermopolis erreichen.«
»Ein guter Gedanke«, pflichtete Milton Fox ihm bei. »Schlaf ist genau das, was ich jetzt
Weitere Kostenlose Bücher