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Der Schatten von Thot

Der Schatten von Thot

Titel: Der Schatten von Thot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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wir Minieh erreicht, wo wir bis zum Morgen ankern, um Frischwasser und neue Ladung an Bord zu nehmen. Es ist nicht mehr weit nach Hermopolis, und ich bin froh darüber, denn die Hitze der Wüste nagt an uns und ist allgegenwärtig, selbst in dieser besonderen Nacht, in der wir zu Hause Kälte gewohnt sind und uns nach einem wärmendem Kaminfeuer sehnen…
     
     
    D AMPFSCHIFF E GYPT S TAR
    24. D EZEMBER 1883
     
    Der alten Regel folgend, dass Not erfinderisch macht, waren in Ermangelung von Tannengrün und Mistelzweigen Palmblätter so zusammengebunden worden, dass sie einen etwas bizarren, aber dennoch deutlich erkennbaren Weihnachtsbaum abgaben. Schmuck aus bunten Girlanden, der auf nicht mehr nachvollziehbaren Wegen an den Nil gefunden hatte, verzierte das eigentümliche Gebilde. An Kerzen war freilich nicht zu denken – infolge der schwülen Hitze wäre das Wachs geschmolzen, noch ehe die Flamme es erreichte.
    So war es ein reichlich schlichter Baum, der auf dem Sonnendeck errichtet worden war und um den die Passagiere der ersten Klasse versammelt saßen. Der Violonist, der die Reise begleitete, um beim allabendlichen Dinner für gepflegte Untermalung zu sorgen, stimmte an diesem Abend weihnachtliche Klänge an, und es gab wohl kaum jemanden unter den Passagieren, der sich bei den vertrauten Klängen von God rest ye merry, Gentlemen nicht wenigstens für einen Augenblick in die neblige Kälte Englands wünschte.
    »Eine schöne Weise«, erkannte Sir Jeffrey an und nippte an seinem Getränk. Eierpunsch, wie er zu Hause in England getrunken wurde, empfahl sich nicht in diesen Breiten – als Ersatz gab es kräftigen, mit Gewürzen versetzten Rotwein.
    »In der Tat«, stimmte Milton Fox zu. »Wussten Sie, dass Charles Dickens das Lied komponiert hat?«
    »Tatsächlich?«
    »Mit Verlaub, werter Inspector, das ist nicht ganz richtig«, wandte Sarah ein, die zusammen mit den anderen das Weihnachtsdinner eingenommen hatte. »Dickens hat das Lied keineswegs komponiert, er hat es nur in einer seiner Erzählungen erwähnt, wodurch es bekannt wurde.«
    »Ein Weihnachtslied in Prosa«, meinte Sir Jeffrey versonnen. »Ich erinnere mich: eine hübsche Geschichte, nicht wahr? Wenn auch ein wenig moralisch für meinen Geschmack. Wissen Sie, was ich mich dennoch oft gefragt habe?«
    »Was?«, verlangte Sarah zu wissen.
    »Nun, ich habe mich gefragt, was die Geister der Weihnacht mir wohl zeigen würden, würde ich ihnen begegnen. Wäre ich zufrieden mit dem, was ich erreicht habe? Oder würde es mir ergehen wie dem bedauernswerten Geizhals Scrooge? Und was hätte der Geist der zukünftigen Weihnacht für mich im Gepäck?«
    »Was immer es sei«, erwiderte du Gard, der an diesem Abend nur wenig sprach und sich meist damit begnügte, mit trübem Blick in sein Glas zu starren. »Sie sollten froh sein, monsieur, dass dieser Geist gar nicht erst auftaucht und Ihnen einen Blick in die Zukunft gewährt.«
    »Finden Sie? Eine interessante Einstellung, in der Tat.«
    »Nicht wahr?«, erwiderte Milton Fox grinsend. »Vor allem, wenn man bedenkt, dass unser französischer Freund aus eigener Erfahrung spricht…«
    Der Inspector und Captain Hayden lachten spöttisch. Sarah sandte du Gard ein entschuldigendes Lächeln. Dem Franzosen jedoch schien der Spott der beiden nichts auszumachen. Er schüttelte nur den Kopf und winkte ab.
    »Vielleicht geht Ihr Wunsch ja auch schon bald in Erfüllung, Sir Jeffrey«, spottete Hayden weiter, der dem festlichen Anlass entsprechend seine Paradeuniform angelegt hatte: einen leuchtend roten, goldbetressten Rock. »Denn wenn das mal nicht der Geist der vergangenen Weihnacht ist…«
    Die wenig schmeichelhafte Beschreibung bezog sich auf Kamal, der über die steile Außenleiter zum Sonnendeck aufgeentert hatte und sich in unterwürfiger Haltung näherte. Es war ihm anzusehen, dass er sich alle Mühe gegeben hatte, sich für den Abend zurechtzumachen. Das Ergebnis freilich war durchwachsen. Zwar trug Kamal einen anderen Kaftan als sonst, dieser war jedoch nicht weniger schmutzig und geflickt als der, den er sonst anhatte. Fox und Sir Jeffrey lachten über den Scherz, den sich Hayden auf Kosten ihres einheimischen Führers erlaubt hatte, und sogar du Gard konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen – nur Sarah lachte nicht.
    »Ist das zu fassen?«, schnaubte Hayden. »Sieht dies hier etwa wie die dritte Klasse aus? Weiß dieser schmutzige Araber nicht, wohin er gehört?«
    »Ich habe es Ihnen schon einmal

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