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Der Schatten von Thot

Der Schatten von Thot

Titel: Der Schatten von Thot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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den Offizier stürzte: ein weiterer Vermummter, der sich von hinten an Hayden herangeschlichen hatte.
    Sarah riss ihre Waffe in den Anschlag, aber sie konnte nicht auf den Angreifer feuern, ohne Hayden dabei zu gefährden. Einen Augenblick lang rangen der mit einem Krummdolch bewehrte Angreifer und der Offizier miteinander. Dann gelang es Hayden, den Vermummten von sich zu stoßen. Sofort ging der Attentäter zum Gegenangriff über, holte zum tödlichen Streich mit dem Türkendolch aus. Hayden jedoch war schneller. In einer geschmeidigen Bewegung führte der Offizier seinen Säbel und brachte dem Angreifer damit eine klaffende Wunde bei, die quer über seine Brust verlief. Mit einem heiseren Schrei wankte der Vermummte zurück, und Hayden versetzte ihm den Todesstoß.
    Sofort sprang Sarah auf und wollte zu du Gard. Er saß nach wie vor leblos auf seinem Stuhl, um den sich eine schimmernde Blutlache gebildet hatte. Sie hatte ihn noch nicht erreicht, als sie einen hasserfüllten Schrei vernahm. Abrupt blieb sie stehen und fuhr herum, sah, wie der Vermummte, den sie nur angeschossen hatte, sich an der Reling emporzog und auf die Beine raffte. Der Attentäter hatte seine Schrotflinte erneut geladen und auf Hayden angelegt, der schutzlos und ohne Deckung stand. Schon krümmte sich der Finger des Vermummten am Abzug – als Sarah schoss.
    Der Martini-Henry, dessen Griff sie mit beiden Händen umklammert hielt, zuckte und schickte das Blei auf Reisen. Es ereilte den Vermummten, noch ehe dieser schießen konnte. Die Kugel fuhr in die Brust des Mannes und streckte ihn nieder – und diesmal kam er nicht wieder hoch. Sarah ließ den noch rauchenden Revolver fallen und rannte endlich zu du Gard. Der Franzose lebte noch, aber sein Puls war schwach und sein Atem ging flach und rasselnd. Eine aus unmittelbarer Nähe abgegebene Schrotsalve hatte seine Brust zerfetzt. Überall war Blut…
    »Maurice!«, hauchte Sarah verzweifelt. »Verzeih mir, Maurice! Ich wollte nicht, dass es so weit kommt…«
    »Du kannst nichts dafür, Sarah…« Du Gards Antwort war kaum zu verstehen, Blut rann ihm dabei aus den Mundwinkeln. »Du hast nur getan, was du tun musst, was deine Bestimmung ist…«
    »Nicht sprechen«, wies sie ihn an. »Du musst deine Kräfte schonen, hörst du?«
    »Wofür?« Er lachte heiser, worauf ein ganzer Schwall Blut über seine Lippen kam. »Meine Reise ist zu Ende…«
    »Nein, Maurice, bitte nicht. Ich brauche dich…«
    »Non, Sarah… Du brauchst mich nicht… Hast mich nie gebraucht, nicht einmal damals…« Er würgte am Blut und wurde von einem Hustenkrampf geschüttelt, der ihm die letzte Kraft zu rauben schien. »Sarah…«
    »Ja, Maurice?«
    »Muss dir… noch etwas sagen…«, presste er mühsam und mit ermattender Kraft hervor.
    »Ja?«
    »Was deine Vergangenheit betrifft, die Dunkelzeit…«
    »Was ist mir ihr?«
    »Du bist nicht…«, begann du Gard – aber seine Worte gingen in ein Stöhnen über, als der Schmerz ihn übermannte.
    »Was ist mir meiner Vergangenheit, Maurice?«, drängte Sarah. »Was weißt du darüber?«
    Du Gard wollte antworten, aber er konnte nicht. Der Schmerz wurde zu stark. Ein Stöhnen entrang sich der Kehle des Franzosen, sein Blick wurde milchig und trüb.
    »Sarah…«, flüsterte er, und seine zitternde, blutige Hand suchte die ihre.
    »Ja?« Sie ergriff seine Rechte und drückte sie an sich.
    »J… je t’aime«, hauchte du Gard mit dem letzten Atemzug. »Ich habe dich immer geliebt…«
    Noch einmal bäumte sich sein gepeinigter Körper auf, dann sank sein Kopf nach unten, auf die blutige Brust. Die schlanke Gestalt des Franzosen entkrampfte sich, ebenso wie die Hand, die Sarah umklammerte.
    Es war vorbei.
    Lange Zeit war Sarah Kincaid nicht zu einer Regung fähig. Über Maurice du Gards leblosen Körper gebeugt, kauerte sie in einem Strom aus Blut, der nach allen Seiten über die Planken kroch. Wie aus weiter Ferne drangen das Tosen der Feuersbrunst und die Schreie von Matrosen und Passagieren an ihr Ohr.
    Dann kam die Trauer.
    Und der Schmerz.

 
    5
     
     
     
    P ERSÖNLICHES T AGEBUCH
     
    Die Vergangenheit…
    Nachdem ich ihr über Monate hinweg zu entkommen suchte, hat sie mich nun eingeholt – schneller und grausamer, als ich es mir je hätte träumen lassen.
    Mir ist, als wäre mit Maurice du Gard auch ein Teil von mir gestorben. Obschon ich keine Leidenschaft mehr für ihn empfand, wird mir erst jetzt, da ich ihn verloren habe, bewusst, was für ein loyaler Freund

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