Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit
beeindruckend aus.
»Du machst nicht viel Gerede, Mädchen, wie?« Er lächelte. »Knapp und geraderaus, wie ein Krieger redet. Gerade was ich von der größten Händlerin Tiaronds erwartet hätte. Und wenn ich nun sagte, ich möchte einfach etwas Zeit mit dir verbringen und sehen, wie du dich bei uns eingelebt hast?«
»Dann würde ich sagen, dass Kaidaunen in Honig trotzdem Kaidaunen sind. Du hast heute zu viel zu tun, um herumzustehen und zu plaudern, und du hättest nicht alles nach mir abgesucht, wenn dir nur Gesellschaft fehlte«, antwortete Seriema nun ihrerseits lächelnd. »Also heraus damit. Was willst du?«
Cetain wurde ernst. Anstatt ihre Frage zu beantworten, lehnte er sich neben ihr an die Mauer und schaute zum Horizont und auf die herannahende Wolkenbank. »Ich hätte wissen sollen, dass ich dich hier oben finde«, begann er leise. »Das ist immer mein liebster Platz gewesen, um die Dinge zu durchdenken. Und nach allem, was Tormon sagt, musst du eine ganze Menge zu überdenken haben. Die vergangenen Tage werden kaum leicht gewesen sein.«
Aus irgendeinem Grund war Seriema nicht fähig, diesem ernsten jungen Mann etwas vorzuheucheln. »Du hast Recht. So viel Furchtbares ist geschehen, und so schnell, dass ich es selbst noch kaum begriffen habe. Ich sage mir einfach immer wieder, dass ich zu den paar Glücklichen gehöre, die wenigstens überlebt haben.«
»Du bist sehr tapfer. Ich bin nicht sicher, ob meine Krieger unter diesen Umständen so unerschütterlich gewesen wären.« Cetain betrachtete seine gefalteten Hände auf der kalten Mauer und seufzte. »In gewisser Weise fällt es mir deshalb schwerer, das Nötige von dir zu erbitten.«
Seriema runzelte die Stirn. »Worum willst du mich bitten? Ich bin dankbar, dass ihr uns beherbergt, und bin bereit, auf jede Weise zu helfen, die mir möglich ist. Solange es nicht ums Kochen oder Nähen geht«, fügte sie hastig hinzu.
Cetain lachte. »In dem Augenblick, da ich dich zum ersten Mal sah, wie du stolz deinen Soldatenmantel trugst, ungebeugt nach eurer schweren Reise, und wie du mit dem prächtigen schwarzen Pferd so leicht fertig wurdest, als wäre es ein sanftes altes Pony, da wusste ich, dass ich ein Kriegermädchen vor mir habe.«
Aber Seriema wollte sich nicht geschmeichelt fühlen. »Und?«, sagte sie herausfordernd.
»Also … bitte glaube nicht, dass dich irgendjemand dazu zwingen will. Ich weiß, dass es viel verlangt ist, nach allem, was du durchgemacht hast.«
Das war zu viel für ihre Geduld. »Aber was denn?«, rief sie.
»Komm mit mir. Wir müssen die anderen Sippenhäuptlinge von der Gefahr überzeugen.«
Seriema sperrte den Mund auf. »Du – du willst, dass ich mit den Rotten reite? Aber ich weiß kaum, wo beim Schwert vorn und hinten ist. Welchen Nutzen hätte ich für euch?«
»Verstehst du, es ist so«, begann Cetain und blickte ihr ins Gesicht. »Wenn meine Männer und ich mit dieser Geschichte über fliegende Eindringlinge zu den anderen Häuptlingen reiten, warum sollten sie uns glauben? Sie müssen denken, das sei eine Art List von Seiten meines Vaters. Es wäre nicht das erste Mal in unserer Geschichte, dass die Anführer aller Sippen unter der Flagge der Waffenruhe angelockt und dann ermordet werden. Wenn wir aber eine Zeugin aus der Stadt bei uns haben – jemanden, der das schreckliche Gemetzel mit eigenen Augen gesehen hat – nun, dann wäre es um einen Erfolg besser bestellt. Darum glaubt mein Vater, und ich stimme ihm zu, und obwohl ich keinesfalls glücklich darüber bin, dich in Gefahr zu bringen …«
»Warum ich?«, fragte Seriema dazwischen. »Warum nicht einer von den anderen?«
»Nun, zunächst bist du eine hübschere Begleitung als Tormon …«
»Bleib ernst!«
»Aber es stimmt. Wieso glaubst du, es könnte mir damit nicht ernst sein?«
Sie sah ihn wütend an, und er gab auf. »Schon gut, schon gut. Ich werde es dir sagen. Sieh mich nicht an wie ein Adler, der sich gleich auf das Schaf stürzt. Es war dumm von mir, darauf zu vertrauen, ich könnte dich mit meiner mäßigen Anziehungskraft überreden.«
»Wenn du mir einfach sagen würdest, warum du willst, dass gerade ich mitkomme, dann wäre es gar nicht nötig, mich zu überreden.«
Er nickte. »Ein Grund liegt darin, dass du eine Frau bist. Wir werden uns diesmal zu Verhandlungen treffen, und je weniger kriegerisch wir wirken, desto besser. Zwar haben wir eine Anzahl weiblicher Krieger, aber, bei aller Hochachtung, du siehst nicht wie eine
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