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Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit

Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit

Titel: Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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zum Schlafen, aber bei Tage ließ man die Torffeuer ausgehen, und so war er kalt und trostlos und roch schal, weil so viele Schläfer ihn während der Nacht bewohnt hatten. Einer inneren Regung folgend nahm sie den Soldatenmantel, den sie inzwischen ganz selbstverständlich trug, und verließ das Zimmer. Aber anstatt die enge Treppe hinab in den Hauptteil der Festung zu gehen, stieg sie weiter hinauf. Im nächsten Moment öffnete sie die Tür, die auf das Dach führte, und lehnte sich gefährlich weit über die Zinnen. Ein eisiger Wind löste ihr das Haar, dass es flatterte und zerzauste.
    Sie sollte das Beste daraus machen, sagte sie sich. Der Himmel verkündete baldigen Regen. Am Horizont türmten sich tintenschwarze Wolken, die mit dem Wind rasch näher kamen. Seriema schaute vom Ausguck der Festung über das Tal, das die Rotten zu ihrer Heimat gemacht hatten. Alles erschien ihr so notdürftig! Tormon hatte ihr erklärt, dass die Sippe trotz der rauen Gegend ihre Wohnungen nur wenig gebrauchte. Denn die meiste Zeit wohnten sie in der wilden Landschaft in Behelfshütten oder robusten Zelten aus Fellen, während sie mit dem Vieh die Heide durchstreiften, jagten oder gegen andere Sippen kämpften. Unten im Tal in den Windschatten der Hänge gekauert, befand sich eine kleine Ansiedlung mit zerstreuten, schludrig gebauten Häusern. Sie waren niedrig, halb in den Boden versunken und mit Grassoden gedeckt. Sie sahen wie der Bau wilder Tiere aus, aber nicht wie die Häuser von Leuten, und wurden hauptsächlich von Frauen mit kleinen Kindern und den Kranken und Alten der Sippe benutzt.
    Heute waren auf den Hügeln keine Schafe zu sehen, auch nicht die ungezähmten weißen Rinder der Rotten. Man hatte sie zusammengetrieben und im Hof der Festung eingepfercht. Wenn die fliegenden Bestien kämen, würde man viele schlachten und das Fleisch räuchern oder einsalzen, um die Menschen zu ernähren, die in der Festung Zuflucht gesucht hatten. Unten lief man hin und her und verlagerte Vorräte, Kleidung, Bettzeug und jede kleine Kostbarkeit ins Innere der Festung. Einige gruben reifes Wurzelgemüse aus, andere brachten Torf zum Verfeuern und Farn, auf dem sowohl das Vieh als auch die Menschen schliefen. An diesem Morgen herrschte eine erbitterte Zielstrebigkeit. Selbst kleine Kinder trabten mit einem Gefühl von Wichtigkeit bei Botengängen hin und her, holten und brachten, suchten das Seeufer nach Feuerholz ab, suchten rund um die Häuser nach Eiern, trieben Hühner und Schweine zusammen, um sie in die Festung zu bringen. Die Hunde, von all dem Treiben aufgeregt, sausten den Leuten kläffend um die Beine, jagten das Vieh und waren mehr Hindernis als Hilfe.
    Wenn nur Tiarond so gewarnt worden wäre. Wie viele Menschen wären dadurch gerettet worden?
    Seriema wandte sich von der Siedlung ab und schlenderte zur anderen Seite des Daches. Auf die Brustwehr gelehnt blickte sie zum Horizont, wo sich die schillernde Barriere der Schleierwand bis in den Himmel erstreckte. Es war viele Jahre her, seit sie sie gesehen hatte – zuletzt als ihr Vater sie als kleines Mädchen mitgenommen hatte. Sie meinte, trotz des brausenden Windes ganz schwach das Prasseln und Tosen auszumachen. Was war das für ein Gefühl, so dicht an dieser Erscheinung zu leben? Sie fragte sich, ob es dahinter etwas gab. Waren diese Flügelwesen vielleicht von dort gekommen? Von jenseits der geheimnisvollen Grenze, die Callisiora einschloss?
    Ich wünschte, ich wüsste es. Wenn man herausfinden könnte, woher sie kommen, könnte man daraus vielleicht schließen, wie sie zu besiegen sind.
    Während sie nachdenklich den Horizont betrachtete, hörte sie plötzlich jemanden ihren Namen rufen. Als sie sich umdrehte, stand Cetain, der zweite Sohn des Häuptlings, vor ihr. »Hier versteckst du dich also«, sagte er lächelnd. »Ich habe in der ganzen Festung nach dir gesucht.«
    »Warum?«, fragte Seriema überrascht. Sie kannte den Mann kaum. Natürlich, sie hatte am vorigen Tag mit ihm gesprochen, während er die Wanderer zur Festung seines Vaters geleitete, und sie hatten einander beim Abendessen ein- oder zweimal zaghaft zugelächelt, obwohl sie nicht zusammengesessen hatten. Das hatte ihr genügt, um zu merken, dass sie ihn mochte. Er musste etwa in ihrem Alter sein, und obgleich sie ihn nicht als gut aussehend bezeichnet hätte, sah er mit den leuchtend grünen Augen und den langen rotbraunen Haaren, die er heute morgen geflochten und mit einer Silberspange trug, doch

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