Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit
Ungerechtigkeit außer sich, und ich bin sicher, du willst dir über grollende Gestaltwandler keine Sorgen machen müssen.«
Amaurn blickte sie finster an. »Er hätte mich beinahe umgebracht. Willst du sagen, ich soll einfach darüber hinwegsehen?«
»Nein«, antwortete Kalevala. »Als Zeichen der Dankbarkeit für deine heutige Großzügigkeit werde ich mich selbst des Mörders annehmen. Vifang wird dich nie wieder belästigen, Amaurn. Darauf hast du mein Wort.«
»Ich danke dir, Kalevala. Ich schätze deine Hilfe in dieser Sache mehr als ich sagen kann.« Der Archimandrit neigte achtungsvoll den Kopf. »Ich hoffe, du gewährst mir noch eine Nacht, um mich von meiner Verwundung zu erholen, ehe ich die glückliche Neuigkeit dem Schattenbund kundtue? Ich will nicht bestreiten, dass ich die Leute gehörig werde beschwatzen müssen, um ihr Einverständnis zu erlangen. Ich werde am Morgen eine Versammlung einberufen. Warte bitte so lange, ehe du deinen Leuten sagst, was wir vorhaben.«
»Das scheint mir vernünftig zu sein.« Zum ersten Mal klang sie liebenswürdig. »Wahrscheinlich werde ich es leichter haben als du, Archimandrit. Ich wünsche dir Glück.«
Amaurn lächelte dünn. »Ich werde mit allen Widerreden fertig werden, mach dir keine Sorgen. Gemeinsam werden wir die Sache zum Erfolg führen, und ich sehe dem beiderseitigen Nutzen und der vollen Einbindung der Takuru in den Schattenbund freudig entgegen.«
»Ganz meinerseits. Und da sich der neue Anführer so gut eingeführt hat, meine ich, können wir alle mit neuer Zuversicht in die Zukunft blicken.«
Als Kalevala gegangen war, stieß Veldan einen langen Seufzer aus. »Mann!«, sagte sie. »Das ist mal etwas, was man nicht jeden Tag sieht. Nach deiner Herrschaft, Amaurn, wird man den Schattenbund nicht mehr wiedererkennen.«
»Das war zweifellos ein glänzender Schachzug, um deinen Mörder loszuwerden«, fand Maskulu, »doch wie willst du den Schattenbund überzeugen, dass es ein guter Einfall ist, die Takuru unter uns leben zu lassen?«
»Oh, ich halte ihnen einfach die grundlegende Gerechtigkeit meines Plans und seine langfristigen Vorteile für den Schattenbund vor Augen«, sagte Amaurn unbekümmert. »Und wenn das nicht reicht, werde ich sie unmissverständlich daran erinnern, dass ich sie nicht um ihre Meinung bitte, sondern lediglich in Kenntnis setze.«
Toulac sah den Eindringling böse an. »Ich bin der Mensch, in dessen Bett du schläfst.«
»Das stimmt nicht«, widersprach der Junge entrüstet, »also, nicht ganz.«
»Wie?«
»Es ist nicht dein Bett. Es ist meins.« Er setzte sich auf und betrachtete sie argwöhnisch. »Der Mann – der Gastwirt – hat mich in dieses Zimmer gebracht und gesagt, ich soll hier bleiben.« Dann nahm er einen klagenden Ton an. »Er hat gesagt, er würde mir etwas zu essen bringen, aber das hat er nicht getan. Und ich sterbe vor Hunger.«
Inzwischen hatte Toulac herausgehört, woher er stammte. »Du kommst aus Tiarond, stimmt’s?« Der Junge nickte und sah dabei so unglücklich aus, dass er ihr Leid tat. »Wie war noch gleich dein Name?«, fragte sie.
»Scall.«
»Und was hast du hier zu suchen, bei allem, was heilig ist?«
»Ich kann nichts dafür!«, platzte er heraus. »Ich wollte nicht hierher. Er hat mich gezwungen!«
»Wer?«
»Der Überbringer … Kalt. Er hat mich auf mein Pferd gesetzt und was gemacht, damit ich mich nicht bewegen konnte. Es war furchtbar!«
Toulac unterbrach ihn eilig, um davon abzulenken, was verdächtig nach Tränen aussah. Er war in diesem gewissen Alter – wenn er in ihrem Beisein weinte, würde ihn das so verlegen machen, dass sie nachher kein Wort mehr aus ihm herausbekäme. »Ach, sieh mal an. Überbringer gibt es nur bei den Rotten. Ich dachte, du seist aus Tiarond.«
»Bin ich auch.«
»Wie bist du aus der Stadt entkommen?«
»Das ist eine lange Geschichte«, sagte Scall. »Es fing damit an, dass meine Tante mich gebeten hat, die Pferde des Händlers zu Meisterin Toulac in die Sägemühle zu …«
»Moment mal, Söhnchen. Ich bin Toulac von der Sägemühle.«
Er riss die Augen auf. »Du bist das? Aber wie kommst du hierher?«
»Ich bin es – und vor allem bin ich es, die jetzt die Fragen stellt. Du kommst später an die Reihe, wenn du Glück hast. Wieso habe ich weder von dir noch von irgendeinem Pferd etwas zu Gesicht bekommen? Und wer ist überhaupt deine Tante?«
»Schmiedemeisterin Agella. Ich bin – oder war zumindest – ihr
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