Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit
bei Arcans Sippe zurückgelassen habe«, sagte er. »Ich bin jetzt nicht mehr ihr Überbringer, aber das heißt nicht, dass ich mich nicht mehr verantwortlich fühle. Grimm würde nichts weniger von mir erwarten.«
»Grimm war Amaurns alter Freund?«
»Ja. Er war auch mein Freund, und mein Lehrer und Ratgeber. Er war wie ein Vater zu mir.« Seine Stimme klang nach aufgestauten Tränen, und ganz in Gedanken schob Veldan den Arm unter seinen. »Es ist schlimm, jemanden zu verlieren, den man liebt«, sagte sie.
Ganz plötzlich ging er zu anderen Dingen über. »Hast du es bei unserem Gefangenen hier schon mit Gedankenübertragung versucht?«
»Nein.« Veldan fröstelte. »Ich bin nicht einmal sicher, wie viel Verstand sie überhaupt besitzen. Der Vorsehung sei Dank, dass sie sich beim Jagen nicht gegenseitig unterstützen, sonst wären wir in noch ärgerer Bedrängnis, als wir schon sind. Andererseits erscheinen sie mir klüger als viele andere Tiere. Warum fragst du? Hast du es schon versucht?«
Der Überbringer nickte. »Ich bin heute schon einmal hier gewesen. Ich dachte, wenn wir eine Form der Verständigung mit ihnen finden, könnte uns das vieles ersparen. Und Amaurn hätte noch mehr gute Gründe anführen können, um diesen hier zu behalten.«
»Und was ist passiert?«
»Nichts. Da war eine Wand. Aber es war nicht zu unterscheiden, ob ihm die Fähigkeit zur Gedankenübertragung fehlt oder ob er sich gegen mich abschirmt, weil ich sein Feind bin.«
»Ich überlege gerade …« In Veldans Kopf nahm ein Plan Gestalt an. »Wenn wir einen Takur dazu gewinnen könnten, sich der Forschergruppe anzuschließen und dabei die Gestalt eines Ak’Zahar anzunehmen, könnte das den Gefangenen zutraulicher und vielleicht mitteilsam machen.«
Kalts Miene hellte sich auf. »Das ist ein großartiger Einfall!«
Veldan strahlte ihn an. »Er ist geradezu eine Erleuchtung, wenn ich das so sagen darf. Das würde auch Amaurns Plan unterstützen, dass sie sich in unsere Gemeinschaft integrieren.«
»Ich bin zwar neu hier«, sagte Kalt, »aber ich verstehe nicht so ganz, was die Leute gegen die Takuru haben. Es gibt so viele eigenartige Geschöpfe und wundersame Wesen im Schattenbund; warum dann diese Abneigung gegen ein bestimmtes Volk? Ich dachte schon, es würde einen Aufstand geben, als Amaurn ankündigte, sie dürften unter uns leben. Fast schien es, als hätten die Leute mehr gegen die Takuru einzuwenden als gegen den Ak’Zahar, und das ist lächerlich.«
»Die Takuru haben im Schattenbund einen schlechten Ruf«, erklärte Veldan. »Die Leute verabscheuen es, wenn sich jemand völlig unbemerkt in ihrer Mitte aufhält, und wenn die meisten Takuru auch anständig sind, so hat es in der Vergangenheit verschiedene Gestaltwandler gegeben, die mehr als bereit waren, Unheil anzurichten, indem sie Klatsch verbreiteten und Geheimnisse weitergaben, die sie erlauscht hatten.«
Kalt nickte. »Und so hat sich die gegenseitige Abneigung vertieft. Die Takuru stiften Unheil, weil sie nicht wohl gelitten sind, und sie sind nicht wohl gelitten, weil sie Unheil stiften.«
»Genau. Und Cergorns Angewohnheit, sie als Spitzel einzusetzen, war auch nicht gerade hilfreich. Darum leben sie hier in einer recht großen Gemeinschaft – abseits natürlich. Der Archimandrit fand sie zu nützlich, um sie heimkehren zu lassen, aber in der Siedlung unterbringen wollte er sie auch nicht. Wahrscheinlich glaubte er, sie beherrschen zu können, indem er ihnen gelegentlich ein paar Krumen Anerkennung zuwirft und sie nach mehr hungern lässt. Es ist sehr traurig, wirklich.«
»Nun, hoffen wir, dass sich das jetzt ändert«, antwortete der Überbringer. »Ich fand, dass Kalevala heute gut gesprochen hat. Der feierliche Eid, dass die Takuru innerhalb Gendivals bei ihrer wahren Gestalt bleiben, hat die Leute sehr beruhigt.«
»Das ist wahr«, stimmte Veldan zu. »Und weil Cergorn selbst die Takuru eingesetzt hat, fanden seine Anhänger am Ende nicht viel, was sie einwenden konnten.«
Kalt drehte den Kopf und sah sie an. »Du kannst sagen, dass es mich nichts angeht, aber ich dachte, es war hart für dich, als Cergorn heute abreiste.«
»Das stimmt.« Nun war es Veldan, die mit den Tränen rang. Der Abschied von Cergorn und Syvilda am Nachmittag war für sie schwierig gewesen. Sie kannte sie schon ihr Leben lang – die beiden hatten sie gewissermaßen großgezogen. Zwar war das Verhältnis zwischen ihnen zuletzt bitter gewesen, doch sie hatten in ihrem
Weitere Kostenlose Bücher