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Der Schattengaenger

Der Schattengaenger

Titel: Der Schattengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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klappernden Zähnen.
    Bert versuchte, sich ihren eiligen Tippelschritten anzupassen, gab es aber sofort wieder auf. Er musste lächeln. Wie viel doch ein paar Laute aussagen konnten. In manchen Momenten war Sprache schlichtweg überflüssig.
    »Ich wollte mich noch bei dir entschuldigen«, sagte er. »Wegen heute Mittag. Ich hätte nicht so … aus der Kantine rauschen sollen.«
    »Schon gut.« Sie zitterte wie Espenlaub.
    »Schön, dass du noch mit auf ein Bier kommst«, sagte er.
    »L-l-lieber Gl-l-lühwein.« Isa zog die Nase hoch. Ihre Augen tränten. Sie sah erkältet aus, und Bert dachte schuldbewusst, dass sie zu Hause wahrscheinlich besser aufgehoben wäre als hier mit ihm. Er drückte sie fester an sich.
    Auch er entschied sich für einen Glühwein, als sie endlich auf ungemütlichen Holzstühlen im Warmen saßen. Im Weinhaus war der Teufel los. Ein geradezu gehörschädigender Lärm von Stimmen und Geräuschen. Alle Tische besetzt, bis auf einen kleinen hinten bei der Treppe zu den Toiletten. Der beißende Gestank verbrannten Öls stand in der aufgeheizten Luft. Essensdünste waberten aus der Küche, in der es klapperte, schepperte und brutzelte.
    Auf den Barhockern an der Theke saßen ein paar Businesstypen mit ihren Notebooks. Sie schienen außerhalb ihres Dunstkreises nichts wahrzunehmen und demonstrierten neben einer gelangweilten Gelassenheit einen unerschütterlichen Glauben an ihre eigene Individualität.
    »Die werden das auch noch lernen«, murmelte Bert.
    Isa sah ihn fragend an.
    »Dass Individualität nichts weiter ist als eine Illusion«, erklärte Bert und nippte vorsichtig an seinem Glühwein, der ihm zu süß war und augenblicklich zu Kopf stieg.
    »Da sollte ich dir als Psychologin energisch widersprechen.« Isa schnupperte an ihrem Glas und schloss selig die Augen.
    »Und wieso tust du es nicht?«
    »Weil ich zu träge bin.« Sie nahm den ersten, prüfenden Schluck. »Hmmm.«
    »Oder zu aufrichtig?«
    »Vielleicht auch das. Obwohl ich kein Freund großer Worte bin. Keine Freundin«, korrigierte sie sich postwendend selbst. »Manchmal könnte man meinen, die Emanzipationsbewegung sei spurlos an mir vorübergegangen.«
    »Ist sie nicht.«
    »Hoppla! Machst du mir da etwa ein Kompliment?«
    Bert spürte, wie die Müdigkeit von innen gegen seine Stirn drückte. Nicht mehr lange, und sie würde sich zu handfesten Kopfschmerzen auswachsen.
    »Geht es dir nicht gut, Bert?«
    Isa schaute ihm besorgt ins Gesicht. Bert wusste, dass sie neununddreißig war, aber er hätte sie gute zehn Jahre jünger geschätzt. Die schulterlangen Haare hatten den Schimmer reifer Kastanien, und er musste sich zusammenreißen, um nicht mit beiden Händen hineinzugreifen.
    Aber nur, weil sie so weich und duftig aussahen.
    Nur aus diesem Grund? Wirklich?
    Mach dir nichts vor. Du hältst dich zurück, weil eine andere dein Denken und Fühlen besetzt.
    War das so? Würde er versuchen, etwas mit Isa anzufangen, wenn es … Imke Thalheim nicht gäbe? Wäre er überhaupt imstande, Margot zu betrügen?
    Betrügen. Was für ein Wort.
    Auf immer und ewig. Bis dass der Tod euch scheidet.
    »Ich bin müde und frustriert und fühle mich wie Methusalem«, beantwortete er Isas Frage.
    Isa lächelte, und er merkte selbst, wie wehleidig er sich anhörte.
    »Lass uns reden.« Er hob entschlossen den Kopf. »Lass uns an das Gespräch von heute Mittag anknüpfen.«
    »Okay.« Isa benetzte sich die Lippen mit der Zungenspitze, die klein war und rosa und Bert so sehr rührte, dass er schlucken musste. »Was möchtest du wissen?«
    »Warum wird jemand, in diesem Fall ein Mann, zum Stalker?«
    Mit einem Seufzen zeigte Isa ihm, dass er mit dieser Frage mitten ins Schwarze getroffen hatte.
    »Er kann verlassen worden sein oder abgewiesen, sich verraten fühlen oder missverstanden. Es kann sein, dass seine Liebe nicht erwidert wird, dass man ihm Unrecht getan hat oder ihn einfach nicht beachtet.«
    »Also steckt das Zeug zum Stalker in jedem von uns?«
    »Nein.« Isa schüttelte den Kopf. »Dazu gehören eine gehörige Portion Narzissmus und vor allem Selbstüberschätzung.«
    »Über beides verfügt unser Chef beispielsweise im Übermaß«, warf Bert grinsend ein.
    »Wer weiß - vielleicht wird er ja genügend geliebt, sodass es nicht zu einer Eskalation kommt.«
    »Geliebt? Der Chef? Machst du Witze?«
    Isa ging auf Berts scherzhaften Ton nicht ein. Sie starrte in ihr leeres Glühweinglas, als könnte sie aus dem Bodensatz lesen.
    »Stalker

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