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Der Schattengaenger

Der Schattengaenger

Titel: Der Schattengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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Stalker handelt.«
    »Mein Stalker!« Sie spuckte ihm das Wort förmlich vor die Füße. »Ich garantiere Ihnen, dass es mein Stalker war, der das getan hat.«
    Er hatte sich für die falschen Worte entschieden. Und doch gelang es ihm schließlich, Imke Thalheim das Versprechen abzunehmen, sich nicht von der Stelle zu rühren und nichts zu tun, was den Stalker auf ihre Spur bringen könnte.
    Jeder trat jetzt einzeln ans Grab. Die Männer warfen Erde auf den Sarg, die Frauen eine der weißen Rosen, die in einem Korb bereitgestellt waren. Ein paar Meter weiter stand still ein Vogel in der Luft. Es ging ein leichter Wind und der Vogel hielt sich mit wenigen, kaum merklichen Flügelschlägen oben. An einem solchen Tag wirkte alles wie ein Zeichen.
    Bert zwang sich, seine Aufmerksamkeit wieder auf das Geschehen zu richten. Sah Jette, Merle und Tilo Baumgart ein wenig verloren abseits stehen. Beobachtete, wie der Strom der Trauergäste am Grab vorbeizog.
    … Mein herzliches …
    … Sie war eine so wunderbare ….
    … Beileid …
    Nichts Ungewöhnliches unterbrach die Routine. Niemand machte sich verdächtig. Keiner, der nicht hierher zu gehören schien, drückte sich zwischen den Gräbern herum. Der Friedhof leerte sich. Der Vogel flog in einem weiten Bogen davon.
    Die Kollegen waren, nach einer letzten Kontrollrunde über das Gelände, schon vorausgegangen. Bert warf einen letzten Blick in das offene Grab und folgte ihnen dann zum Wagen. Seine Schritte knirschten auf den feinen Steinchen im Sand, und Bert dachte, wie gut das Geräusch doch passte - es erinnerte ihn daran, dass er auf dem Weg war. Wieder einmal.
     
    Ich war anstelle meiner Mutter zu Frau Bergerhausens Beerdigung gegangen. Es hatte mich eine ungeheure Überwindung gekostet, und ich war froh, dass Merle bei mir war.
    »Das stehen wir zusammen durch«, hatte sie gesagt. »Wie alles andere auch.«
    Schon auf dem Weg zum Friedhof hefteten sich die Erinnerungen an unsere Fersen. Es war ein anderer Friedhof, es war eine andere Trauerfeier, und es hatten sich andere Menschen versammelt. Trotzdem war es, als würden wir unsere Freundin ein zweites Mal auf ihrem letzten Weg begleiten.
    Schweigend gingen Merle und ich nebeneinander her. Wir hielten uns bei den Händen. Die Blicke der Leute waren uns egal. Ich wusste, dass auch Merle nur einen Namen dachte und fühlte.
    Caro.
    Tilo kam uns entgegen. Er sah so fremd aus in seinem schwarzen Anzug und so blass. Als hätte er tagelang zu wenig geschlafen und zu viel gearbeitet. Er schien erleichtert, uns zu sehen. Seit damals waren Friedhöfe für jeden von uns Orte, die wir nach Möglichkeit mieden.
    Früher war ich gern zwischen Grabsteinen herumspaziert,  hatte die Inschriften gelesen und das Alter der Verstorbenen ausgerechnet. Ich hatte mich mit einem Buch auf eine schattige Bank gesetzt und die ruhige Abgeschiedenheit gespürt, in die kein Laut von außen zu dringen schien. Das war vorbei.
    Herr Bergerhausen stand neben der hohen Kirchentür, umgeben von einer kleinen Gruppe schwarz gekleideter Menschen, seiner Familie offenbar. Die beiden jungen Frauen an seiner Seite waren wohl seine Töchter. Ich hatte sie noch nie gesehen.
    Ich ging zu ihm und gab ihm die Hand. Ich hatte keinen Trost für ihn, bloß ein unbehagliches Lächeln, in dem Tränen steckten.
    Er erwiderte meinen Blick. Auch er sagte nichts. Anscheinend hatten sich hier draußen im kühlen, nassen Wind all seine Worte verbraucht. Seine Töchter stellte er mir nicht vor. Sie wirkten irgendwie fehl am Platz. Als hätten sie sich verkleidet und fühlten sich in den Sachen nicht wohl.
    Während der Messe wurde mein Blick immer wieder von Herrn Bergerhausen angezogen, der in der ersten Reihe saß. Wenn seine Frau nicht für meine Mutter geputzt hätte, wäre sie noch am Leben. Dieser Gedanke wollte mir nicht aus dem Kopf. Wie viele andere dachten dasselbe?
    Den Weg zur Trauerhalle legte ich wie in Trance zurück. Alles war so unwirklich, fast wie geträumt. Erst als ich den Sarg sehen konnte und der Geruch der toten Blumen und brennenden Kerzen mir in die Nase stieg, spürte ich mich wieder.
    Ich entdeckte den Kommissar und verlor ihn wieder aus dem Blick. War er hier, um nach dem Mörder Ausschau zu halten? Verstohlen musterte ich die Gesichter. Und rückte näher an Merle heran. Sie quittierte es mit einem leichten Druck ihrer Hand.
    Und dann standen wir vor dem Grab und schauten auf den Sarg hinunter, auf dem sich dunkle Erde mit weißen Rosen 

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