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Der Schattenprinz

Der Schattenprinz

Titel: Der Schattenprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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gesagt, er solle zurückbleiben. Und er soll Delnoch einnehmen?«
    Tenaka legte wieder Holz aufs Feuer und schob die Decke von seinen Schultern. »Das weiß ich alles, Ani. Aber es läßt sich machen! Steiger ist wie sein Vorfahr, der Bronzegraf. Er zweifelt an sich, und er hat große Ängste. Aber hinter diesen Ängsten verbirgt sich ein guter Mann, mutig und edel. Und er ist klug und schnell im Denken.«
    »Unsere Hoffnungen ruhen also auf Steiger?« fragte Ananais.
    »Nein. Sie ruhen auf meiner Einschätzung Steigers.«
    »Laß die Wortklauberei. Das ist doch dasselbe.«
    »Ich brauche dich auf meiner Seite, Ananais.«
    Ananais nickte. »Warum nicht? Wir reden ja nur vom Tod. Ich bleibe bei dir, Tani.«
    »Was ist das Leben schon, wenn ein Mann nicht auf seine Freunde zählen kann, nachdem er den Verstand verloren hat?«
    »Danke, Ani. Das meine ich ehrlich.«
    »Ich weiß. Aber ich bin völlig erledigt. Ich schlafe jetzt ein Weilchen.«
    Ananais legte sich hin, den Mantel als Kopfkissen benutzend. Die Nachtluft tat seinem narbigen Gesicht gut. Er war müde - müder als je zuvor. Es war die Müdigkeit der Enttäuschung. Tenakas Plan war ein Alptraum, doch es gab keine Alternative. Ceska hielt das Land in den Klauen der Bastarde, und vielleicht, nur vielleicht, würde eine Eroberung durch die Nadir die Nation retten. Doch Ana-nais bezweifelte es.
    Von morgen an würde er seine Krieger so hart ausbilden, wie sie es noch nie erlebt hatten. Sie würden laufen, bis sie umfielen, kämpfen, bis ihre Arme vor Erschöpfung schmerzten. Er würde sie hart rannehmen und eine Truppe formen, die es nicht nur mit Ceskas Legionen aufnehmen konnte, sondern hoffentlich auch überleben würde, um die neuen Feinde zu bekämpfen. Tenakas Nadir.
    In der Mitte des Tales wurden die Leichen der Gefallenen in einen hastig ausgehobenen Graben gelegt und mit Steinen und Erde bedeckt. Rayvan sprach ein Gebet, und die Überlebenden knieten vor dem Massengrab und flüsterten einige Abschiedsworte für ihre Freunde, Brüder, Väter und Verwandten.
    Nach der Zeremonie zogen sich die Dreißig in die Hügel zurück und ließen Decado, Rayvan und ihre Söhne allein. Es dauerte eine Weile, bis ihr Fehlen bemerkt wurde.
    Decado verließ das Feuer und machte sich auf die Suche nach ihnen, doch das Tal war groß, und bald stellte er fest, daß er seine Aufgabe unmöglich lösen konnte. Der Mond stand hoch am Himmel, als Decado schließlich zu dem Schluß gelangte, daß sie ihn absichtlich zurückgelassen hatten. Sie wollten nicht, daß er sie fand.
    Er setzte sich neben einen weißen Felsen und entspannte seinen Geist, trieb hinab in das wispernde Reich des Unterbewußten. Schweigen.
    Zorn stieg in ihm auf und störte seine Konzentration, doch er zwang sich zur Ruhe und suchte noch einmal diese Zuflucht auf.
    Dann hörte er den Schrei. Zuerst war es ein leiser, gedämpfter Schrei, der zu einem seelendurchdringenden Ausdruck der Qual anschwoll. Decado lauschte eine Weile und versuchte, die Quelle auszumachen. Dann erkannte er die Stimme. Es war Abaddon.
    Und er wußte, wohin die Dreißig gereist waren: um den Abt der Schwerter zu retten und zu befreien, damit er sterben konnte. Er wußte auch, daß es eine Torheit der schlimmsten Art war. Er hatte Abaddon versprochen, sich um seine Schüler zu kümmern. Doch jetzt, nachdem der alte Mann nur einen Tag tot war, hatten sie ihn verlassen, um sich auf eine vergebliche Reise zu begeben und ins Reich der Verdammten einzudringen.
    Eine furchtbare Traurigkeit übermannte Decado, denn er konnte ihnen nicht folgen. Also betete er, doch er bekam, wie erwartet keine Antwort.
    »Was für ein Gott bist du?« fragte er in seiner Verzweiflung. »Was erwartest du von deinen Anhängern? Du gibst nichts und verlangst alles. Mit den Geistern der Dunkelheit gibt es wenigstens so etwas wie eine Verbindung. Abaddon ist für dich gestorben und muß noch immer leiden. Jetzt werden auch seine Schüler leiden. Warum antwortest du mir nicht?«
    Schweigen.
    »Du existierst gar nicht! Es gibt keine Macht der
    Reinheit. Alles, was ein Mensch hat, ist sein Wille, Gutes zu tun. Ich verstoße dich. Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben.«
    Dann entspannte Decado sich und drang weiter in sein Inneres vor, suchte die Mysterien, die Abaddon ihm während seiner Studienjahre zu lehren versprochen hatte. Decado hatte in der Vergangenheit schon des Öfteren versucht, in die Mysterien einzudringen, aber nie mit einer solchen Verzweiflung. Er

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