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Der Schattenprinz

Der Schattenprinz

Titel: Der Schattenprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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reiste tiefer, taumelnd und sich drehend im Rauschen seiner Erinnerungen. Er sah wieder die Schlachten und Gefechte, die Ängste und die Mißerfolge. Weiter und weiter, durch die bittere Traurigkeit seiner Kindheit, zurück zu den ersten Regungen im Mutterleib und weiter zurück bis zur Teilung, Same und Ei, treibend, wartend.
    Dunkelheit.
    Bewegung. Das Fallen von Ketten, jubelnde Freiheit. Licht.
    Decado schwebte frei, wurde angezogen von dem reinen silbernen Licht des Mondes. Durch reine Willensanstrengung unterbrach er seinen Aufstieg und blickte hinunter auf die geschwungene Schönheit des Teufelsgrinsen, doch eine dunkle Wolke trieb unter ihm und versperrte ihm die Sicht. Er blickte auf seinen Körper hinab, weiß und nackt im Mondschein, und Freude durchströmte seine Seele.
    Der Schrei ließ ihn erstarren. Er erinnerte sich an seine Aufgabe, und seine Augen sprühten kaltes Feuer. Aber er konnte nicht nackt und unbewaffnet reisen. Er schloß seine geistigen Augen und stellte sich eine Rüstung vor: die schwarzsilberne des Drachen.
    Und sie war da. Doch kein Schwert hing an seiner Hüfte, kein Schild an seinem Arm.
    Er versuchte es noch einmal. Nichts.
    Die längst vergangenen Worte des Abtes kamen durch die Jahre zurück. »Bei der Reise des Geistes trägt ein Krieger der Quelle das Schwert seines Glaubens, und sein Schild ist die Stärke seines Vertrauens.«
    Decado besaß weder das eine, noch das andere.
    »Verflucht!« brüllte er in die kosmische Nacht. »Noch immer machst du mir einen Strich durch die Rechnung, selbst wenn ich für dich handle!« Wieder schloß er die Augen. »Wenn es Glaube ist, den ich brauche, dann habe ich Glauben. An mich. An Decado, den Eis-Töter. Ich brauche kein Schwert, denn meine Hände sind der Tod.«
    Und er flog dahin wie ein Mondstrahl, angezogen von dem Schrei. Er verließ die Welt der Menschen mit beängstigender Geschwindigkeit. Schwebte über dunkle Berge und düstere Ebenen hinweg. Zwei blaue Planeten lauerten über dem Land, und die Sterne schienen schwach und kalt.
    Unter ihm lag eine trutzige schwarze Burg auf einem Hügel. Er hielt in seinem Flug inne und schwebte über den steinernen Brüstungen. Ein dunkler Schatten sprang ihn an, und er wich aus, als ein Schwert an seinem Kopf vorbeisauste. Seine Hand schoß vor, packte das Gelenk des anderen und wirbelte ihn herum. Decados Linke hieb auf seinen Gegner nieder, dessen Genick brach, und er verschwand. Decado schoß herum, als sich ein zweiter Angreifer auf ihn stürzte. Der Mann trug die dunkle Uniform der Templer. Decado sprang zurück, als das Schwert einen glitzernden Halbkreis vor ihm beschrieb. Als ein Rückhandhieb seinen Nacken zu treffen drohte, duckte sich Decado, tauchte unter der Klinge hinweg und rammte dem Mann seinen Schädel unters Kinn. Der Templer taumelte. Decado ließ seine Hand vorschießen, und die Finger gruben sich in die Kehle des Templers. Auch dieser Gegner verschwand.
    Vor ihm war eine halboffene Tür, die zu einer Treppe führte. Decado lief los, hielt dann inne, da seine Sinne ihn zur Vorsicht mahnten. Mit den Füßen voran sprang er gegen die Tür, so daß sie in den Angeln krachte, und ein Mann stöhnte auf und kam zum Vorschein und brach zusammen. Sich wieder auf die Füße rollend, hämmerte Decado dem Mann einen Fuß gegen die Brust und trat ihm den Brustkorb ein.
    Er stürmte weiter, nahm drei Stufen auf einmal und erreichte schließlich einen großen runden Saal. In der Mitte standen die Dreißig in einem engen Kreis, von allen Seiten umgeben von dunkelgekleideten Templern. Schwerter krachten lautlos; kein Laut war zu hören. Zahlenmäßig mehr als zwei zu eins unterlegen, kämpften die Dreißig um ihr Leben. Und drohten zu verlieren!
    Sie hatten nur noch eine Wahl. Flucht. Als De-cado dieser Gedanke durch den Kopf schoß, stellte er zum erstenmal fest, daß er sich nicht mehr in die Luft erheben konnte - als er diese düstere Festung betreten hatte, hatten seine Kräfte ihn verlassen. Aber warum? Im gleichen Moment wußte er die Antwort. Sie lag in dem, was er zu Abaddon gesagt hatte: Das Böse lebt im Abgrund. Wenn du es bekämpfen willst, mußt du in den Schlamm hinuntersteigen.
    Sie befanden sich in dem Abgrund, und die Kräfte des Lichts waren hier schwächer, so wie die Kräfte der Dunkelheit vor den Herzen starker Männer versagten.
    »Zu mir!« brüllte Decado. »Die Dreißig zu mir!«
    Für einen Augenblick wurde der Kampf unterbrochen, als die Templer innehielten, um

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