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Der Schattenprinz

Der Schattenprinz

Titel: Der Schattenprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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hatte, und er haßte das Volk dafür, daß es dies zuließ. Er haßte die Blumen wegen ihrer Schönheit und die Luft, weil sie ihn atmen ließ.
    Vor allem aber haßte er sich selbst dafür, daß er nicht den Mut fand, sein Elend zu beenden. Was wußten diese Skoda-Bauern von den Gründen, daß er bei ihnen war? Sie hatten ihm am Tag der Schlacht zugejubelt und noch einmal, als sie die Stadt erreichten. >Schwarzmaske< nannten sie ihn -ein Held der Vergangenheit nach dem Abbild des unsterblichen Druss.
    Was wußten sie von seinem Kummer?
    Er starrte auf die Maske hinab. Selbst darin lag Eitelkeit, denn sie hatte eine Nase. Er hätte genausogut zwei Löcher hineinschneiden können.
    Er war ein Mann ohne Gesicht und ohne Zukunft. Nur die Vergangenheit brachte ihm noch Freude - aber gleichzeitig auch den Schmerz. Alles, was er noch besaß, war seine gewaltige Kraft - und die ließ allmählich nach. Er war sechsundvierzig Jahre alt, und seine Zeit lief ab.
    Zum tausendsten Mal erinnerte er sich des Kampfes mit dem Bastard in der Arena. Hätte es einen anderen Weg gegeben, das Biest zu töten? Hätte er sich diese Qualen ersparen können? Er ließ den Kampf noch einmal vor seinem geistigen Auge ablaufen. Es gab keine andere Möglichkeit -das Ungeheuer war doppelt so groß und um die Hälfte schneller gewesen als er. Es war ein Wunder, daß er es überhaupt erschlagen hatte.
    Sein Pferd wieherte. Es hatte die Ohren flach angelegt und warf unruhig den Kopf hin und her. Ananais setzte die Maske wieder auf und wartete. Nach wenigen Sekunden hörte er den leisen Hufschlag eines trottenden Pferdes.
    »Ananais!« rief Valtaya aus der Dunkelheit. »Bist du da?« Er fluchte leise, denn er war nicht in der Stimmung für Gesellschaft.
    »Hier drüben! Auf der Leeseite des Hügels.«
    Sie ritt heran, glitt aus dem Sattel und warf die Zügel über den Hals des Tieres. Ihr goldenes Haar wirkte im Mondschein silbern, und ihre Augen spiegelten die Sterne wider.
    »Was willst du?« fragte er, wandte sich ab und setzte sich ins Gras. Sie zog ihren Mantel aus und breitete ihn auf dem Boden aus, ehe sie sich niederließ.
    »Warum hast du dich hierher zurückgezogen?«
    »Um allein zu sein. Ich habe über vieles nachzudenken.«
    »Sag ein Wort, dann reite ich wieder weg«, sagte sie.
    »Ich glaube, das solltest du tun«, erwiderte er. Doch sie rührte sich nicht, und er hatte es auch nicht erwartet.
    »Auch ich bin einsam«, murmelte sie. »Aber ich will nicht allein sein. Ich bin einsam, und hier gibt es keinen Platz für mich.«
    »Ich habe dir nichts zu bieten, Frau!« fuhr er sie an. Seine Stimme war rauh, als er diese Worte hervorstieß.
    »Du könntest mir wenigstens deine Gesellschaft anbieten«, sagte sie, und dann öffneten sich die Schleusen. Tränen rannen ihr übers Gesicht; sie ließ den Kopf hängen und begann zu schluchzen.
    »Pssst, Frau! Kein Grund zu weinen. Warum solltest du weinen? Du brauchst nicht einsam zu sein. Du bist sehr anziehend, und Galand ist hingerissen von dir. Er ist ein guter Mann.« Aber als das Schluchzen nicht aufhörte, rückte er näher an sie heran, legte seinen Riesenarm um ihre Schultern und zog sie an sich. Sie lehnte den Kopf an seine Brust, und die Schluchzer verebbten zu abgehacktem Weinen. Er tätschelte ihr den Rücken und strich ihr übers Haar. Ihr Arm legte sich um seine Hüften, und sie drängte ihn sanft auf den Mantel nieder. Ein überwältigendes Verlangen ergriff Ana-nais; er begehrte sie mehr als alles, was das Leben zu bieten hatte. Ihr Körper schmiegte sich gegen den seinen, und er spürte die Wärme ihres Busens an seiner Brust.
    Ihre Hand wanderte zu seiner Maske, doch er packte ihr Handgelenk mit einer Geschwindigkeit, die sie verblüffte.
    »Nicht«, flehte er und ließ ihre Hand los. Doch langsam nahm sie ihm die Maske ab, und er schloß die Augen, als die kühle Nachtluft über sein
    Gesicht strich. Ihre Lippen berührten seine Stirn, dann seine Lider, die entstellten Wangen. Er hatte keine Lippen, um ihre Küsse zu erwidern, und weinte. Sie hielt ihn fest, bis die Tränen versiegten.
    »Ich habe geschworen«, sagte er schließlich, »daß ich eher sterbe als zulasse, daß eine Frau mich so sieht.«
    »Eine Frau liebt einen Mann. Ein Gesicht ist kein Mann, ebensowenig wie ein Bein ein Mann ist oder eine Hand. Ich liebe dich, Ananais. Und deine Narben sind ein Teil von dir. Verstehst du das?«
    »Es gibt einen Unterschied«, sagte er, »zwischen Liebe und Dankbarkeit. Ich habe

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