Der Schattenprinz
Ananais endlich das Tal der Dämmerung erreichte, wo De-cado und sechs der Dreißig ihn erwarteten. Um sie versammelt waren etwa zweihundert Skodakrieger, die die Ebene beobachteten.
Ananais kletterte auf einen vorspringenden Felsen. Unter ihm befanden sich sechshundert Krieger, die das Rot von Delnoch trugen. Auf einem weißen Pferd in ihrer Mitte saß ein älterer Mann in hellblauen Kleidern. Sein Bart war lang und weiß. Ananais erkannte ihn und grinste säuerlich.
»Wer ist das?« fragte Thorn.
»Breight. Sie nennen ihn den Überlebenskünstler. Es überrascht mich nicht - er ist seit über vierzig Jahren Ratgeber.«
»Er muß Ceskas Mann sein«, meinte Thorn.
»Er ist niemandes Mann, aber eine gute Wahl, ihn zu schicken, denn er ist Diplomat und Patrizier. Er könnte dir erzählen, daß Wölfe Eier legen, und du würdest ihm glauben.«
»Sollten wir nicht Rayvan holen?«
»Nein. Ich werde mit ihm reden.«
In diesem Augenblick ritten sechs Männer an die Seite des alten Ratgebers. Ihre Mäntel und Rüstungen waren schwarz. Als Ananais ihrem Blick begegnete, gefror das Blut in seinen Adern zu Eis.
»Decado!« rief er, als die Angst ihn packte. Sofort hüllte die Wärme der Freundschaft ihn ein, als Decado und seine sechs Krieger die Macht ihres Geistes einsetzten, um ihn zu schützen.
Wütend brüllte Ananais Breight an, näherzukommen. Der alte Mann zögerte, doch einer der Templer beugte sich zu ihm hinüber, und er gab seinem Pferd die Sporen und ritt ungeschickt den steilen Hang hinauf.
»Das ist weit genug!« sagte Ananais und ging auf ihn zu.
»Bist du das, Goldener?« fragte Breight. Seine Stimme war tief und volltönend. Seine Augen waren braun und ausnehmend freundlich.
»Ich bin es. Sag, was du zu sagen hast.«
»Es besteht kein Grund, grob zu sein, Ananais. Habe ich nicht als erster gejubelt, als du für deine Triumphe in den Schlachten geehrt wurdest? Habe ich dir nicht deinen ersten Auftrag beim Drachen beschafft? War ich nicht der Trauzeuge deiner Mutter?«
»All das und noch mehr, alter Mann! Aber jetzt bist du der speichelleckende Lakai eines Tyrannen, und die Vergangenheit ist tot.«
»Du beurteilst meinen Herrn Ceska falsch - er hat nur das Beste für die Drenai im Sinn. Es sind schwere Zeiten, Ananais. Sehr schwere. Unsere Feinde führen einen lautlosen Krieg gegen uns und berauben uns der Nahrung. Kein einziges Königreich um uns herum will sehen, wie die Erleuchtung der Drenai blüht, denn sie kündet vom Ende ihrer Verderbnis.«
»Erspar mir diesen Unsinn, Breight! Ich habe keine Lust, mit dir zu streiten. Was willst du?«
»Ich sehe, daß deine schrecklichen Wunden dich bitter gemacht haben, und das tut mir leid. Ich bringe dir königliche Vergebung! Mein Herr ist tief verletzt durch deine Handlungen gegen ihn, doch in der Vergangenheit hast du dir einen Platz in seinem Herzen erworben. Zu deiner Ehre hat er jedem Mann vergeben, der sich in Skoda gegen ihn erhebt. Darüber hinaus verspricht er, persönlich jede Beschwerde zu prüfen, die du vorzubringen hast, sei sie nun echt oder eingebildet. Kann jemand gerechter sein?«
Breight hatte die Stimme erhoben, damit auch die lauschenden Verteidiger alles mithören konnten, und seine Augen suchten in ihren Reihen nach Reaktionen.
»Ceska würde nicht einmal wissen, was >gerecht< bedeutet, wenn man es ihm in den Hintern
brennt«, sagte Ananais. »Der Mann ist eine Schlang e .«
»Ich verstehe deinen Haß, Ananais. Sieh dich doch an - vernarbt, entstellt, unmenschlich. Aber es ist doch gewiß noch etwas Menschliches in dir? Warum sollten durch deinen Haß Tausende unschuldiger Seelen einen schrecklichen Tod erleiden? Ihr könnt nicht gewinnen! Die Bastarde versammeln sich, und es gibt keine Armee auf der Welt, die gegen sie bestehen könnte. Willst du Verheerung unter diese Menschen bringen? Sieh in dein Herz!«
»Ich werde nicht mit dir streiten, Alter. Da unten warten deine Männer. Unter ihnen sind die Templer, die sich von Kinderfleisch nähren. Deine halbmenschlichen Kreaturen sammeln sich in Drenan, und täglich strömen Tausende Unschuldiger in diese kleine Bastion der Freiheit hier. Das alles straft deine Worte Lügen. Ich bin nicht einmal wütend auf dich, Breight, Überlebenskünstler! Du hast deine Seele für seidene Ruhekissen verkauft. Aber ich verstehe dich - du bist ein verängstigter alter Mann, der nie gelebt hat, weil er nie gewagt hat zu leben.
In diesen Bergen hier gibt es Leben, und die Luft schmeckt wie
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