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Der Schatz des Blutes

Der Schatz des Blutes

Titel: Der Schatz des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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Landes sein Eigen nannte. Die Tatsache, dass ihre verstreute Lage der bekannten Vorsicht und Gerissenheit des Königs zuzuschreiben war, störte St. Clair nicht. Der König hatte seine Lektion in Verrat und Doppelzüngigkeit in der Zeit vor seiner Krönung gelernt, und er hätte es niemals zugelassen, dass selbst seine engsten Vertrauten so mächtig wurden, dass sie ihn hätten bedrohen können. Daher lagen ihre Ländereien und Besitztümer weit voneinander getrennt und waren von denen ihrer größten Rivalen umgeben. Was, so fand St. Clair, überaus vernünftig war. Er war mit seinem Los mehr als zufrieden.
    Die beiden Männer hatten den Fuß der Wendeltreppe erreicht. Nach einigen Schritten folgten wieder Stufen, die jetzt schmaler waren. Durch eine Öffnung im Boden führten sie geradewegs nach unten, und als sie den Marmorfußboden und die beiden reglosen Wachen hinter sich gelassen hatten, änderte sich der Klang ihrer Schritte. Sie hatten nur Augen für den Weg, der vor ihnen lag, und beachteten weder die Wachen noch den mit Tischen gefüllten Bankettsaal, in dem sie angekommen waren.
    Am Fuß der ersten steinernen Treppenflucht wandten sie sich nach links, um weiter nach unten zu gehen, und St. Clair, der immer noch voranging, ergriff erneut das Wort.
    »Glaubt mir, Hugh, Ihr habt keine Vorstellung davon, welches Glück Ihr habt, hier zu leben, unter zivilisierten Menschen, bei denen Ihr normalerweise davon ausgehen könnt, dass sie nicht versuchen werden, Euch umzubringen.«
    Er sah sich um, und diesmal blitzten seine Zähne eindeutig zu einem Grinsen auf, bevor er die nächste Treppe betrat.
    »Natürlich wird es hier und dort immer jemanden geben, der das versuchen wird. So sind die Menschen nun einmal. Doch unter Franken kann man meistens getrost schlafen. In England dagegen ist jeder Franke, ganz gleich von welcher Stellung, stets in Gefahr, sogar in seinem eigenen Bett, denn für die Engländer sind alle Franken Normannen. Das stimmt natürlich nicht, ist aber auch nicht ganz falsch, da sämtliche fränkischen Krieger in England im Dienst der Normannen stehen. Ich glaube, Ihr wärt überrascht, wie selten ich das Haus verlasse, ohne meine volle Rüstung zu tragen. Ich glaube, ich könnte die Gelegenheiten seit meinem letzten Aufenthalt hier an den Fingern abzählen.«
    Sie hatten den Fuß der letzten Treppe erreicht, und St. Clair wandte sich um, die rechte Augenbraue fragend hochgezogen.
    »Gut, hier sind wir. Seid Ihr bereit?«
    Hugh nickte nur, denn er traute seiner Stimme nicht. Seit der Mitte der letzten Treppe schnürte ihm plötzliche Nervosität die Kehle zu. Die Treppe hatte dreimal in scharfen Kehrtwendungen die Richtung gewechselt, sodass sich die beiden Männer jetzt tief in den Eingeweiden der Burg befanden, fünf Stockwerke unterhalb ihres Ausgangspunktes.
    Die Stufen der letzten Treppe waren aus Holz gewesen – genauso breit und stabil wie zuvor der Stein und immer noch flach und leicht zu benutzen. Doch jetzt endeten sie in einem engen Vestibül mit hohen Decken, das eigentlich nichts weiter war als ein tiefer, rechteckiger Schacht, beleuchtet von einem halben Dutzend Fackeln, die in Schulterhöhe in Nischen in der Wand eingelassen waren. Der Raum wurde fast vollständig von der Treppe eingenommen, die rechts und links so dicht an die Wände heranreichte, dass nicht einmal Hughs Finger in den Zwischenraum gepasst hätte. Ein kurzer Gang, der gerade einmal drei Schritte lang war, erstreckte sich vom Fuß der Treppe zu einer massiven, mit Eisenbeschlägen verstärkten Tür, die den weiteren Weg genauso vollständig versperrte, wie es die Treppe in ihrem Rücken tat.
    Hugh war immerhin so weit mit den Vorgängen in diesem geheimsten Teil der väterlichen Burg vertraut, dass er wusste, dass hier die Vorbereitungen für die Zusammenkunft am folgenden Abend im Gange waren. Sonst wäre die Kammer, in der sie standen, von oben weder zu sehen noch zu betreten gewesen, denn die Holztreppe wäre wie eine Zugbrücke hochgezogen gewesen. Sie war genau so eingepasst, dass sie bis zur gegenüberliegenden Wand reichte und die Tür verdeckte. Die Öffnung im Boden wurde dann mit einer Platte bedeckt, die das Aussehen fester, abgenutzter Steinplatten hatte, sodass nicht das Geringste darauf hindeutete, dass sich darunter eine Treppe befand.
    St. Clair trat vor und hämmerte mit dem Knauf seines kurzen Dolches – der einzigen Waffe, die er bei sich trug – an die Eichentür. Während er auf eine Reaktion

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