Der Schatz des Störtebeker
dachte, es ist Greta.« Sie verfrachtete ihn aufs Sofa und warf ihm eine Decke über.
Am nächsten Morgen war er zu früher Stunde putzmunter. Die Haxe hatte den Alkohol neutralisiert. Er duschte, deckte den Tisch im an die Küche angrenzenden Wintergarten, kochte Kaffee, presste Orangen aus und wartete auf Marie-Christin.
»Du hättest ruhig die Pfütze im Badezimmer aufwischen können«, sagte sie zur Begrüßung.
»Guten Morgen, Liebling. Darf ich dir einen Kaffee einschenken?«
Sie griff nach der »Welt«, die er aus dem Briefkasten geholt hatte, und faltete sie auseinander.
»Wo ist Greta?«
»Übernachtet bei einer Freundin.«
»Darf ich dir ein Toastbrot schmieren?«
»Tu dir keinen Zwang an.«
»Honig.«
»Hmhm.«
Er schmierte den Toast und schnitt ihn diagonal entzwei, wie es sich in den anglophilen Elbvororten ziemte. Sie nahm ihn mit Daumen und Zeigefinger und aß ihn mit abgespreiztem kleinen Finger, während sie die vermischten Nachrichten studierte.
Discher stand auf und trat hinter sie. Er fasste nach ihren hellbraunen Haaren und zog sie nach hinten zu einem Pferdeschwanz zusammen.
»Jens?«
»Hm?«
»Wer ist diese Evelyne?«
»Ich hab doch gesagt: eine alte Flunder.«
»Umso schlimmer.«
»Halt den Mund!«
Er ließ die Haare nicht los, sondern zog ihren Kopf zurück. Sie ließ ihn gewähren. Er beugte sich zu ihr hinunter. Die Zeitung fiel auf den Boden. Der Stuhl kippte. Er trug sie ins Schlafzimmer.
Später setzten sie ihr Frühstück fort. Marie-Christin war so gut gelaunt, dass sie ihm sogar ihren Range Rover zur Verfügung stellte.
Damit fuhr er nach St. Pauli. Er parkte direkt vor Hein Höges Hafenbasar und stieg aus. Durch das Schaufenster sah er Hein zwischen Meerjungfrauen und Neptuns und der Negerstatue auf und ab gehen und telefonieren. Ein kleiner Mann mit Kugelbauch, weißen zotteligen Haaren, der Jeans mit Hosenträgern und Gürtel trug. Er winkte ihm zu und trat in den Laden. Drinnen musste man höllisch aufpassen, dass man nicht gegen ein Schiffsmodell, eine Laterne oder einen ausgestopften Raubtierkopf stieß.
»Wenn die Säcke beschädigt sind«, sagte Hein, »taugt das alles nichts. Ich kann den Leuten doch nicht schon mal aufgebrühten Tee verkaufen.«
Er zwinkerte Discher zu und deutete mit der freien Hand auf das Sofa neben dem Verkaufstresen. Über dem Sofa hing ein ausgestopfter Schwertfisch, über dem Tresen ein Mobile aus Kugelfischen.
»Was heißt hier grob gemahlen. Gemahlener Kaffee interessiert mich nicht die Bohne.« Hein machte eine Handbewegung, die andeuten sollte, dass sein Gesprächspartner meschugge war.
»Schnürsenkel? Ach Junge… Ja, Turnschuhe klingt schon besser. Ich ruf dich später wieder an, min Jung. Tschüssing.«
Er legte dem Kolonialneger das Telefon aufs Tablett, und der Neger nickte brav.
»Jens, was führt dich zu mir? Trinkst’n Kaffee mit? Ich hab da eine seltene Mischung…« Er verschwand in einer Nische zwischen einer Indianerstatue und einem aufrecht an die Wand gelehnten afrikanischen Einbaum und kam mit einer Kanne zurück.
Sie tranken aus zwei Bechern, die mit einem Smiley mit Piratenkopftuch und Augenklappe verziert waren.
»Kulbrod und Rümker«, sagte Discher.
»Ja.«
»Mit den beiden war ich gestern hier.«
»Hab gehört, dass sie da waren. Von dir hat Inge nichts erzählt.«
»Hab mich im Hintergrund gehalten.«
»Hm.«
»Sie sind auf der Suche nach der Brosche. Im Auftrag von dieser Tante aus Othmarschen, du weißt schon.«
»Nanu, ich dachte, du verhandelst mit ihr.«
»Hab ich auch, aber die Brosche ist weg.«
»Wie weg?«
»Ganz weg, geklaut. Greta hat sie auf den Faschingsball im Atlantic mitgenommen. Dort haben Taschendiebe gearbeitet…«
»Na klar.«
»Und die haben sich ausgerechnet die Brosche unter den Nagel gerissen.«
»Wieso lässt du auch Greta damit rumspazieren.«
»Sie hat mich nicht um Erlaubnis gefragt.«
»Und jetzt soll ich mich umhören?«
»Genau.«
»Außerdem Kulbrod und Rümker hinhalten?«
»So ist es.«
»Geht klar.«
Discher stand auf und stellte den Becher auf den Tresen. »Ruf mich an, wenn du was herausgefunden hast oder Hilfe brauchst. Ich bin bei Marie-Christin.«
»Dachte ich mir schon, als ich den Range Rover gesehen hab. Schön für dich.«
»Es war schon schön, jetzt wird es wieder schwierig.«
Discher stieg über den Schild einer Riesenschildkröte hinweg, schob sich zwischen einem Neptun und einer Meerjungfrau hindurch, stieß sich den Kopf
Weitere Kostenlose Bücher