Der Schatz des Störtebeker
auf die Brosche mit dem Herz. Er verzog das Gesicht zu einem verächtlichen Grinsen. Dann spuckte er darauf und warf das Ding in hohem Bogen fort.
Er setzte sich ins Gras. Der Regen wurde wieder heftiger. Irgendwann spürte er eine Hand auf der Schulter.
»So eine dumme Göre«, sagte Theodor Geibel. »Soll ich dir mal erzählen, wie man zur Zeit von Harald Blauzahn und Sven Gabelbart mit solchen Weibsbildern umgesprungen ist?«
Wenige Tage später gab Kai Heinrich Burchard seine Stellung als Kontorschreiber auf und wurde erster Hilfsgräber des selbst ernannten Entdeckers Theodor Geibel.
Sie hätten tatsächlich einen beachtlichen Fund gemacht, wenn man von offizieller Seite nicht rechtzeitig bemerkt hätte, dass hier Unbefugte am Werk waren. So aber jagte man sie davon, und ihre Spur verliert sich im Ungewissen.
24.-25. FEBRUAR NACHMITTAGS BIS MORGENS
Genialen Detektiven fällt immer eine Lösung ein. Kulbrod und Rümker mussten in dieser Hinsicht noch einiges dazulernen. Nachdem sie Link Walther im Grasbrookhafen nicht gefunden hatten, waren sie mit Jens Discher Richtung St. Pauli aufgebrochen. »Jetzt machen wir Nägel mit Köpfen«, hatte Kulbrod erklärt. Kurz darauf standen sie vor Hein Höges Hafenbasar und fluchten vor sich hin.
»Heute ist Sonntag«, sagte Discher.
»Tatsächlich?« Kulbrod trat wütend gegen die geschlossene Ladentür.
Rümker starrte sehnsüchtig durchs Schaufenster auf die ausgestellten Objekte hanseatischer Weitläufigkeit: antike Fernrohre, Sextanten, Kompasse in ollen Größen und Ausführungen, Buddelschiffe, Modelle von Segelschiffen, von der Karavelle bis zum Veermaster, die von der Decke hingen, große Gemälde von Hamburger Luxusdampfern wie der »Imperator«, ein komplettes Modell der Containeranlage am Burchardkai, diverse Bojen, mehrere Galionsfiguren, darunter Neptun und vier Meerjungfrauen, Negerstatuen aus Kolonialzeiten, Löwen, Tiger und Antilopenköpfe, ein Zebra als Schaukelpferd, bärtige Puppen mit Kapitäns-und Schiffsoffizieruniformen aus verschiedenen Jahrhunderten, eine Störtebeker-Statue aus Pappmaschee, Enterhaken, zahlreiche verknotete Taue, löchrige Öljacken und Südwester aus den Anfangszeiten der DLRG und dicke Bildbände über die Glanzzeit des Hamburger Hafens sowie ein Foto des legendären Reeders Albert Ballin, auf dem er stolz in der Veddeler Auswandererhalle unter seinem eigenen Slogan »Mein Feld ist die Welt« steht.
»Willst du da Wurzeln schlagen?«, fragte Kulbrod.
Rümker zuckte zusammen und fuhr herum: »Was?«
»Der Laden ist geschlossen. Wir sehen nach, ob er oben in der Wohnung ist.«
»Ja, ja.«
Eine Tür weiter drückte Kulbrod auf den Klingelknopf. Es summte laut, die Tür sprang auf, und Kulbrod ging voran.
»Hier riecht es ja nach Bohnerwachs«, stellte Rümker erstaunt fest.
Eine steile Treppe führte sie in den dritten Stock. Discher blieb im zweiten Stock stehen und lugte durch das Gitter des Treppengeländers. Eine alte Frau mit grauen Dauerwellen und einem geblümten Nylonkittel stand in der Tür. Discher ging ein paar Stufen zurück und wartete.
»Ach nee, das tut mir ja nun Leid«, sagte die Frau auf Kulbrods Frage. »Aber der Hein ist aufm Auswärtsspiel. In Bremen. Da kommt er spät zurück. Bestenfalls kriegst du ihn bei Nagel zu fassen, wenn sie Hauptbahnhof aussteigen. Da wärmen sie sich manchmal noch auf, wenn sie zurückkommen. Kennst das ja. Wollt ihr nich reinkommen, auf’n Kaffee? Ich hab noch ’ne Kanne aufm Herd.«
»Ein andermal, Inge. Wir haben noch zu tun. Tschüs, nach!« Kulbrod drehte sich um und führte seine beiden Begleiter wieder die Treppe hinunter.
»Aber morgen«, rief Inge Höge ihnen nach. »Morgen steht er wieder im Laden.«
Und so kam es, dass sie schon am frühen Sonntagabend in der Bodega Nagel am Hauptbahnhof landeten. Es schien Kulbrods und Rümkers zweite Heimat zu sein.
»Na, auch mal wieder da, die Herren?«, wurden sie von den Kellnern begrüßt, die es schafften, in schwarzen Hosen, weißen Hemden und dunklen Westen verwahrloster auszusehen als ihre durchwachsene Kundschaft.
»Wir brauchen einen Tisch, von dem aus wir den Überblick behalten«, sagte Kulbrod.
Der Kellner legte einen Zeigefinger ans linke Auge und den Kopf schief. »Verstehe«, sagte er und führte die drei Männer an den runden Tisch in der Nische auf der Empore im hinteren Teil. Dort wurde man nicht gesehen, konnte aber, wenn man sich vorbeugte oder reckte, den ganzen Gastraum und sogar einen
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