Der Schatz im Silbersee
ist.«
Der Rote sprach sehr gut englisch. Was er sagte und wie er es sagte, flößte dem Yankee Vertrauen ein; darum weigerte sich der letztere nicht, der Aufforderung zu folgen. Er kroch aus dem Dickicht hervor und sah, als er das Gebüsch hinter sich hatte, daß die beiden Pferde eine ziemliche Strecke abwärts angepflockt waren. Der Rote betrachtete den Weißen mit einem Blicke, welcher alles zu durchdringen schien, und sagte dann:
»Von Süden her sind zwei Männer auf ihren Füßen gekommen; der eine versteckte sich hier, und der bist du; der andre ging weiter, in die Prairie hinaus. Da kamen drei Reiter, welche diesem andern folgten; sie schossen ihm eine Pistolenkugel in den Kopf. Zwei ritten fort. Der dritte nahm die Leiche auf das Pferd, ritt an das Gebüsch, warf sie hinein und jagte dann ostwärts im Galopp von dannen. Ist es so?«
»Ja, genau so,« nickte Hartley.
»So magst du mir sagen, warum man deinen weißen Bruder erschossen hat. Wer bist du, und warum befindest du dich in dieser Gegend? Sind es auch die drei Männer gewesen, welche deinen Arm verwundet haben?« Der freundliche Ton, in welchem diese Fragen ausgesprochen wurden, bewies dem Yankee, daß der Rote ihm wohlgesinnt sei und keinerlei Verdacht gegen ihn hege. Er beantwortete die ihm vorgelegten Fragen. Der Indianer sah ihn dabei nicht an; dann aber fragte er plötzlich mit einem durchbohrenden Blicke: »So hat dein Gefährte dein Leben mit dem seinigen bezahlen müssen?«
Der Yankee schlug die Augen nieder und antwortete beinahe stockend: » Nein. Ich bat ihn, sich mit mir zu verstecken; aber er wollte nicht.«
»So, hast du ihm gezeigt, daß die Mörder hinter euch her kamen?«
»Ja.«
»Und ihm auch gesagt, daß du dich hier verbergen wolltest?«
»Ja.«
»Warum hat er da den Mörder, als dieser nach dir fragte, ostwärts nach der Farm gewiesen?«
»Um ihn zu täuschen.«
»So hat er dich retten wollen und war ein wackerer Kamerad.
Bist du seiner wert gewesen? Nur der große Manitou weiß alles; mein Auge kann nicht in dein Inneres dringen. Könnte es das, so würdest du dich vielleicht vor mir schämen müssen; ich will schweigen; dein Gott mag dein Richter sein. Kennst du mich?«
»Nein,« antwortete Hartley kleinlaut.
»Ich bin Winnetou, der Häuptling der Apachen. Meine Hand richtet sich gegen die bösen Menschen, und mein Arm schützt jeden, der ein gutes Gewissen hat. Ich werde nach deiner Wunde sehen; noch notwendiger als das aber ist, zu erfahren, warum die Mörder umgekehrt sind, um euch zu folgen. Weißt du es?«
Hartley hatte schon oft von Winnetou gehört. Nun er wußte, daß dieser berühmte Häuptling vor ihm stehe, antwortete er in doppelt höflichem Tone: »Ich habe es dir bereits gesagt. Sie wollten uns auf die Seite schaffen, damit wir nicht verraten konnten, daß sie mich beraubt haben.«
»Nein. Wäre es bloß das, so hätten sie euch sofort getötet. Es muß etwas andres sein, was ihnen erst später eingefallen ist.
Hatten sie dich genau durchsucht?«
»Ja.«
»Und dir alles abgenommen? Auch deinem Gefährten?«
»Nein. Er sagte ihnen, daß er ein armer Flüchtling sei, und bewies es ihnen, indem er ihnen den Brief zeigte.«
»Einen Brief? Haben sie denselben behalten?«
»Nein; er bekam ihn zurück.«
»Wo steckte er ihn hin?«
»In die Brusttasche seines Rockes.«
»Da befindet er sich nicht mehr. Ich habe in alle Taschen des Toten gegriffen und keinen Brief gefunden; sie haben ihm denselben hier abgenommen. Also ist es dieses Schreiben, welches sie bewogen hat, umzukehren und euch einzuholen.«
»Schwerlich!« meinte Hartley kopfschüttelnd.
Der Indianer antwortete nicht darauf. Er holte die Leiche aus dem Gebüsch und untersuchte die Taschen noch einmal. Der Tote bot einen gräßlichen Anblick, nicht etwa zufolge der Kugelwunde, sondern weil man sein Gesicht mit Messern kreuz und quer zerschnitten hatte, so daß es ganz unkenntlich geworden war. Die Taschen waren leer. Natürlich hatte man auch sein Gewehr mitgenommen.
Der Indianer blickte sinnend in das Weite; dann sagte er im Tone tiefster Überzeugung: »Dein Kamerad wollte nach Sheridan; zwei von den Mördern sind nordwärts geritten, in der Richtung dieses Ortes; sie wollen auch dorthin. Warum haben sie ihm den Brief abgenommen? Weil sie denselben brauchen, sich desselben bedienen wollen. Warum haben sie das Gesicht des Toten entstellt? Damit man ihn nicht erkennen soll. Man soll nicht wissen, daß Haller tot ist; er darf nicht
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