Der Schatz im Silbersee
gestorben sein, weil einer der Mörder in Sheridan sich für Haller ausgeben will.«
»Aber zu welchem Zwecke?«
»Das weiß ich nicht, werde es aber erfahren.«
»So willst du auch hin, ihnen nach?«
»Ja. Ich wollte nach dem Smocky-hill-fluß, und Sheridan liegt in der Nähe desselben; wenn ich nach diesem Orte reite, wird mein Weg dadurch nicht viel größer und länger werden. Diese Bleichgesichter haben etwas Schlimmes vor, was sie dort ausführen wollen. Vielleicht ist es mir möglich, es ihnen zu nichte zu machen. Geht mein weißer Bruder mit?«
»Ich wollte eine nahe Farm aufsuchen, um meinen Arm zu pflegen. Freilich möchte ich noch lieber nach Sheridan.
Vielleicht erhalte ich dort das geraubte Geld zurück.«
»So wirst du mit mir reiten.
»Aber meine Verwundung!«
»Ich werde sie untersuchen. Auf der Farm hat mein weißer Bruder zwar Pflege, aber keinen Arzt; in Sheridan aber wird es einen solchen geben. Auch versteht sich Winnetou auf Behandlung der Wunden. Er kann zersplitterte Knochen wieder fest machen und besitzt ein ausgezeichnetes Mittel gegen das Wundfieber. Zeige mir jetzt deinen Arm!«
Schon der Schreiber hatte dem Yankee den Frackärmel aufgetrennt; es fiel also dem letzteren nicht schwer, seinen Arm zu entblößen. Winnetou untersuchte denselben und erklärte, daß die Wunde nicht so schlimm sei, als es den Anschein habe.
Die Kugel hatte, da der Schuß aus so großer Nähe abgegeben worden war, den Knochen nicht zersplittert, sondern glatt durchschlagen. Der Rote holte eine getrocknete Pflanze aus seiner Satteltasche, befeuchtete sie und legte sie auf die Wunde; dann schnitt er zwei Holzschienen zurecht und verband mit Hilfe derselben den Arm so kunstgerecht, wie ein Wundarzt es mit den gegebenen Mitteln auch nicht besser fertig gebracht hätte. Dann erklärte er: »Mein Bruder kann getrost mit mir reiten. Das Fieber wird gar nicht kommen, oder doch erst dann, wenn er sich längst in Sheridan befindet.«
»Aber wollen wir nicht erst zu erfahren suchen, was der dritte Mörder thut?« fragte Hartley.
»Nein. Er sucht nach dir, und wenn er deine Spur findet, so wird er umkehren und den beiden andern folgen. Vielleicht thut er das nicht, sondern er hat noch andre Verbündete, welche er vorher aufsucht, um mit ihnen nach Sheridan zu reiten. Ich komme aus bewohnten Gegenden und habe erfahren, daß sich in Kansas viele von den Bleichgesichtern, welche Tramps genannt werden, zusammenziehen. Es ist möglich, daß die Mörder zu diesen Leuten gehören, daß die Tramps einen Streich gegen Sheridan beabsichtigen. Wir dürfen keine Zeit verlieren; wir müssen schnell hin, um die dortigen Weißen zu warnen.«
»Aber wenn dieser dritte Feind nach hier zurückkehrt, wird er unsre Spur finden und aus ihr ersehen, daß wir seinen Freunden gefolgt sind? Muß er da nicht Verdacht schöpfen?«
»Wir folgen ihnen nicht. Winnetou weiß, wohin sie wollen, und braucht also ihre Fährte nicht. Wir reiten einen andern Weg.«
»Und wann werden wir nach Sheridan kommen?«
»Ich weiß nicht, wie mein Bruder reitet.«
»Nun, ein Kunstreiter bin ich freilich nicht. Ich habe noch wenig im Sattel gesessen, aber abwerfen lasse ich mich nicht.«
»So dürfen wir nicht stürmen, werden das aber durch Stetigkeit einholen. Wir reiten von jetzt an die ganze Nacht hindurch und werden am Morgen am Ziele sein. Diejenigen, denen wir folgen, werden des Nachts Lager machen und also später als wir ankommen.«
»Und was geschieht hier mit der Leiche des armen Haller?«
»Wir werden sie begraben, und mein Bruder mag dann ein Gebet sprechen.«
Die Erde war locker, und so wurde, obgleich nur die Messer gebraucht werden konnten, recht bald eine leidlich tiefe Grube fertig, in welche die beiden den Toten legten, um ihn dann mit der aufgeworfenen Erde zu bedecken. Hierauf nahm der Yankee den Hut ab und faltete die Hände. Ob er dabei wirklich betete, war zu bezweifeln. Der Apache blickte ernst in die untergehende Sonne. Es war, als ob sein Auge jenseits des Westens die ewigen Jagdgründe suche. Er war ein Heide, aber er betete ganz gewiß. Dann schritten sie zu den Pferden.
»Mein weißer Bruder mag mein Tier nehmen,« sagte der Rote
»Es hat einen sanften Gang, gleich und eben wie ein Kanoe im Wasser. Ich nehme das ledige.«
Sie stiegen auf und ritten fort, erst eine Strecke westlich, um dann nach Norden einzubiegen. Die Pferde hatten gewiß schon einen weiten Weg gemacht, schritten aber so munter und rüstig aus, als ob
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