Der Schatz im Silbersee
ausgesucht haben. Ihr wohnt hier bei mir im Hause, eßt mit an meinem Tische und habt Euch nach der Hausordnung zu richten. Ich wünsche nicht, daß Ihr mit den gewöhnlichen Arbeitern verkehrt. Punkt zehn Uhr wird die Thür verschlossen.«
»Das ist mir recht, Sir, denn gerade so habe ich es bisher stets gehalten,« versicherte der Mann, welcher eine große Genugthuung darüber empfand, daß er überhaupt engagiert wurde. Dann fügte er hinzu. »Und nun noch eine Bitte, welche hier meinen Reisegefährten betrifft. Hättet Ihr vielleicht Arbeit für ihn?«
»Was für Arbeit?«
»Irgend welche,« antwortete der andre bescheiden. »Ich bin nur froh, wenn ich Beschäftigung erhalte.«
»Wie heißt Ihr?«
»Faller. Ich habe Master Haller unterwegs getroffen und mich ihm angeschlossen, als ich hörte, daß hier an der Bahn gearbeitet wird.«
»Haller und Faller. Das ist eine sonderbare Ähnlichkeit der Namen. Hoffentlich seid Ihr auch in andrer Beziehung ähnlich.
Was seid Ihr denn bisher gewesen, Mr. Faller?«
»Ich war längere Zeit Cow-boy auf einer Farm drüben bei Las Animas. Das war ein wüstes, unartiges Leben, welches ich nicht länger mitmachen konnte, und ich ging also fort. Darüber kam ich noch am letzten Tage mit einem andern Boy, einem rüden Burschen, in Streit, wobei mir sein Messer durch die Hand fuhr. Die Wunde ist noch nicht ganz heil; ich hoffe aber, daß ich in zwei oder drei Tagen die Hand zur Arbeit, wenn Ihr mir welche geben wollt, gebrauchen kann.«
»Nun, Arbeit könnt Ihr zu jeder Zeit haben. Bleibt also immerhin da; pflegt die Hand, und wenn sie heil geworden ist, so meldet Euch. Jetzt könnt Ihr gehen.«
Die Bursche verließen das Bureau. Als sie draußen an dem offenen Fenster der Stube, in welcher sich Old Firehand befand, vorüber gingen, hörte dieser einen von ihnen mit unterdrückter Stimme sagen: » Alles gut! Wenn nur auch das Ende so, wie der Anfang ist!«
Der Ingenieur trat zu Old Firehand herein und sagte: »Ihr hattet sehr recht, Sir! Dieser Faller hat dafür gesorgt, daß er nicht zu arbeiten braucht, sondern Zeit hat, nach dem Eagle-tail zu gehen. Er trug die Hand verbunden.«
»Jedenfalls ist dieselbe ganz gesund. Warum habt Ihr den Schreiber erst auf fünf Uhr bestellt?«
»Weil ich ihn bis zum Schlafengehen beschäftigen soll. Das würde ihn und mich ermüden und ihm wohl auch auffällig sein, wenn es allzu lange währte.«
»Sehr richtig. Es sind immerhin fünf volle Stunden bis zehn Uhr, und es wird nicht leicht sein, ihn bis dahin vom Verkehre mit den andern abzuhalten.«
So war also nun der erste Teil der Einleitung vollendet. Zu dem zweiten Teile konnte man erst dann übergehen, wenn man das Gespräch der beiden Kundschafter belauscht hatte. Bis dahin war noch eine lange Zeit, welche Old Firehand, der sich nicht sehen lassen wollte, auf den Schlaf verwendete. Als er erwachte, war es fast dunkel geworden, und der Neger brachte ihm sein Abendbrot. Gegen zehn Uhr kam dann der Ingenieur und meldete, daß der Schreiber schon längst gegessen habe und sich nun auf sein Zimmer begeben werde.
Old Firehand stieg also in das Stockwerk hinauf, von welchem aus eine viereckige Klappe auf das flache Dach führte. Auf dem letzteren angekommen, legte er sich nieder und kroch leise nach derjenigen Stelle der Dachkante, unter welcher, wie er sich erkundigt hatte, das betreffende Fenster lag. Es war so dunkel, daß er es wagen konnte, hinabzugreifen. Es war so nahe, daß er es mit der Hand zu erreichen vermochte.
Als er einige Zeit ruhig wartend dagelegen hatte, hörte er unter sich eine Thür gehen. Schritte gingen nach dem Fenster, und her Schein eines Lichtes fiel aus demselben hinaus ins Freie.
Das Dach bestand aus einer dünnen Bretterlage und darauf genageltem Zinkblech. So wie Old Firehand die Schritte unter sich hörte, so konnte auch er selbst von dem Schreiber gehört werden; Es war also große Vorsicht nötig.
Nun strengte der Jäger seine Augen an, um das nächtliche Dunkel zu durchdringen, und zwar nicht vergeblich. In der Nähe des aus dem Fenster fallenden Lichtscheines stand eine Gestalt. Dann klang das Fenster; es wurde geöffnet.
»Esel!« raunte eine viertelslaute, zornige Stimme. »Thu doch die Lampe weg; das Licht trifft ja auf mich!«
»Selber Esel!« antwortete der Schreiber. »Was kommst du schon jetzt! Man ist im Hause noch wach. Komm in einer Stunde wieder.«
»Gut. Aber sag wenigstens, ob du eine Nachricht hast.«
»Und was für
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