Der Schatz im Silbersee
ihnen könnten es die Kundschafter erfahren. Mein Neger, welcher treu und verschwiegen ist, wird die Pferde verstecken und versorgen.«
»Gut, gebt ihm den Befehl dazu! Und Ihr selbst müßt Euch dieses Master Hartley annehmen. Gebt ihm ein Bett, daß er sich niederlegen kann. Aber kein Mensch darf von seiner Anwesenheit etwas wissen, kein Mensch außer Euch, dem Neger und dem Arzte; denn ein Doktor ist doch wohl vorhanden?«
»Jawohl. Ich werde ihn sofort kommen lassen.«
Er entfernte sich mit dem Yankee, welcher ihm recht gern folgte, da er sich nun sehr ermüdet fühlte. Als der Ingenieur nach einiger Zeit zurückkehrte, um zu sagen, daß sowohl der Verwundete als auch die Pferde gut versorgt seien, meinte Old Firehand: »Ich wollte alle Beratung in Gegenwart dieses Arzneischwindlers vermeiden, denn ich traue ihm nicht. Es gibt in seiner Erzählung einen dunklen Punkt. Ich bin überzeugt, daß er den armen Schreiber mit Absicht in den Tod geschickt hat, um sich selbst zu retten. Mit solchen Menschen mag ich nichts zu thun haben. Jetzt sind wir unter uns und wissen genau, daß jeder sich auf den andern verlassen kann.«
»So wollt Ihr uns wohl einen Plan mitteilen?« fragte der Ingenieur wißbegierig.
»Nein. Einen Plan können wir erst dann entwerfen, wenn wir denjenigen der Tramps kennen gelernt haben, und das wird nicht eher der Fall sein, als bis die Kundschafter hier eingetroffen sind und mit Euch gesprochen haben.«
»Das ist richtig. Wir müssen uns also einstweilen in Geduld fassen.«
Da hob Winnetou die Hand zum Zeichen, daß er einer andern Ansicht sei und sagte: »Jeder Krieger kann auf zweierlei Weise kämpfen; er kann angreifen oder sich verteidigen. Wenn Winnetou nicht weiß, wie und ob er sich verteidigen kann, so greift er lieber an. Das ist schneller, sicherer und auch tapferer.«
»So will mein roter Bruder vom Plane der Tramps gar nichts wissen?« fragte Old Firehand.
»Er wird ihn jedenfalls erfahren; aber warum soll der Häuptling der Apachen sich zwingen lassen, nach ihrem Plane zu handeln, wenn es ihm leicht ist, sie zu zwingen, sich nach dem seinigen zu richten?«
»Ach, du hast also bereits einen Plan?«
»Ja. Er ist mir während des Rittes in dieser Nacht gekommen und hat sich vervollständigt, als ich hörte, was die Tramps vorher gethan haben. Diese Geschöpfe sind keine Krieger, mit denen man ehrenvoll kämpfen kann, sondern räudige Hunde, welche man mit Stöcken erschlagen muß. Warum soll ich warten, bis so ein Hund mich beißt, wenn ich ihn vorher mit einem Hiebe töten oder in einer Falle erwürgen kann!«
»Kennst du eine solche Falle für die Tramps?«
»Ich kenne eine, und wir werden sie bauen. Diese Coyoten kommen, um die Kasse zu berauben. Ist die Kasse hier, so kommen sie hierher; ist sie anderwo, so gehen sie dorthin, und befindet sie sich im Feuerwagen, so werden sie denselben besteigen und in das Verderben fahren, ohne den Leuten, welche hier wohnen, das Geringste gethan zu haben.«
»Ah, ich beginne zu begreifen!« rief Old Firehand. »Welch ein Plan! Den kann freilich nur ein Winnetou ersinnen! Du meinst, daß wir die Kerle in den Zug locken sollen?«
»Ja. Winnetou versteht nichts von dem Feuerrosse und wie es gelenkt wird. Er hat den Gedanken gegeben, und seine weißen Brüder mögen über denselben nachdenken.«
»In einen Bahnzug locken? » fragte der Ingenieur. »Aber wozu denn? Wir können sie doch hier erwarten und vernichten, hier im Freien!«
»Wobei aber viele von und sterben müßten!« entgegnete Old Firehand.
»Besteigen sie aber den Zug, so können wir sie an einen Ort bringen, an welchem sie sich ergeben müssen, ohne uns schaden zu können.«
»Es wird ihnen nicht einfallen, einzusteigen.«
»Sie steigen ein, wenn wir sie durch die Kasse hineinlocken.«
»So soll ich die Kasse in den Zug thun?«
Das war eine Frage, welche man dem geistreich blickenden Ingenieur nicht zugetraut hätte. Winnetou machte eine geringschätzende Handbewegung, doch Old Firehand antwortete: »Wer mutet Euch das zu? Die Tramps müssen nur überzeugt sein, daß sich Geld in dem Zuge befindet. Ihr stellt den Kundschafter als Schreiber an und stellt Euch so, als ob Ihr ihm großes Vertrauen schenktet. Ihr teilt ihm mit, daß hier ein Zug hält, in welchem sich eine große Menge Geldes befindet.
Da kommen sie sicher, und alle drängen sich in die Wagen.
Sind sie drin, dann geht es fort mit ihnen.«
»Das klingt allerdings nicht übel, Sir, ist aber nicht so
Weitere Kostenlose Bücher