Der Schatz im Silbersee
welchem wir den Pferden einige Ruhe gönnen wollen und indessen unsre Prairiehunde braten können.
Wasser gibt es auch, wie ihr seht.«
Es floß nämlich eine kleine Quelle unter den Steinen hervor, schlängelte sich über die Lichtung hin und verlor sich dann im Walde. Die Reiter stiegen ab, gaben ihren Pferden die Mäuler zum Grasen frei und suchten dann nach dürrem Holze, um ein Feuer anzubrennen. Jemmy übernahm es, die Prairiehunde abzuhäuten und auszunehmen, und Old Shatterhand entfernte sich, um nachzusehen, ob man an diesem Orte jetzt sicher sei.
Der Wald war nämlich nur drei Viertelstunden breit und wurde quer von dem Indianerpfade durchschnitten. Die Blöße lag ungefähr in der Mitte desselben.
Nicht lange, so briet das Fleisch über dem Feuer, und ein gar nicht übler Duft zog durch die Lichtung. Dann kehrte Old Shatterhand zurück. Er war schnellen Schrittes bis an den jenseitigen Waldesrand gegangen, von welchem aus man weit über eine offene Prairie sehen konnte. Sein Auge hatte nichts Verdächtiges gewahren können, und so brachte er den dreien die Nachricht, daß keine Überraschung zu befürchten sei.
Nach einer Stunde war der Braten fertig, und Old Shatterhand nahm sich ein Stück desselben.
»Hm!« brummte der Hobble-Frank. »Hundebraten essen! Wenn das früher mal eenem eingefallen wäre, mir zu prophezeien, daß ich den besten Freund des Menschen verschpeisen würde, dem hätte ich eene Antwort gegeben, daß ihm die Haare zu Berge geschtanden hätten. Aber ich habe eben Hunger und muß es also probieren.«
»Es ist ja kein Hund,« erinnerte Jemmy. »Du hast ja gehört, daß dieses Murmeltier nur seiner Stimme wegen
fälschlicherweise den Namen Prairiehund erhalten hat.«
»Das bessert an der Sache nischt; das macht sie vielmehr noch schlimmer. Murmelbraten! Sollte man so was denken! Der Mensch is doch zuweilen zu recht konsistenten Dingen beschtimmt. Na, wollen sehen.«
Er nahm sich ein Stück Brust und kostete es verzagt; dann aber klärte sich sein Gesicht auf; er schob ein größeres Stückchen in den Mund und erklärte kauend: »Wirklich gar nich übel, off Ehre! Es schmeckt wirklich beinahe wie Karnickel, wenn ooch nich ganz so fein wie Zikkelbraten. Kinder, ich denke, von diesen beeden Hunden wird nich viel übrig bleiben.«
»Wir müssen für den Abend aufheben,« antwortete Davy. »Wir wissen nicht, ob wir heute noch etwas schießen.«
»Ich sorge nich für schpäter. Wenn ich müde bin und mich in Orpheusens Arme werfen kann, so bin ich vorderhand vollschtändig zufrieden geschtellt.«
»Morpheus heißt es,« verbesserte Jemmy.
»Schweigste gleich schtille! Du wirscht mir doch nich etwa een M vor meinen Orpheus machen wollen! Den kenn' ich ganz genau; in dem Dorfe Klotsche bei Moritzburg gab es eenen Gesangverein, welcher »Orpheus in der Oberwelt« hieß; diese Kerle sangen so tellurisch lieblich, daß die Zuhörer schtets in den angenehmsten Schlummer sanken. Darum schtammt von dorther, also aus Klotsche, das Schprichwort von dem Orpheus in die Arme sinken. Schtreite dich also nich mit mir, sondern verzehre deinen Prairiehund mit schweigsamer Bedächtigkeet; dann wird er dir besser bekommen, als wenn du dich mit eenem Manne von meinen Erfahrungen herumschtreitest. Du weeßt, ich bin een guter Kerl, aber wenn mir jemand beim Essen eenen Morpheus offbinden will, da werde ich deschperat und importiert!«
Old Shatterhand winkte Jemmy, zu schweigen, damit das Essen ohne Störung eingenommen werde, konnte aber eine andre Störung nicht verhüten, welche ihnen nicht durch den kleinen, erregbaren Hobble-Frank drohte. Wenn die vier Männer sich ganz sicher wähnten, so befanden sie sich in einem großen Irrtum. Es näherte sich ihnen die Gefahr in Gestalt von zwei Reitertrupps, welche ihre Richtung auf den Wald genommen hatten.
Der eine dieser Trupps war klein; er bestand nur aus zwei Reitern, welche von Norden her kamen und auf die Fährte von Old Shatterhand und seinen Genossen stießen. Sie hielten an und sprangen von den Pferden, um die Spur zu untersuchen.
Die Art und Weise, in welcher dies geschah, ließ vermuten, daß sie keine unerfahrenen Westmänner seien. Sie waren gut bewaffnet; aber ihre Kleidung hatte gelitten. Gewisse Anzeichen machten es denkbar, daß sie in letzter Zeit keine guten Tage erlebt hatten. Was ihre Pferde betraf, so waren dieselben wohlgenährt und munter, doch ohne Sattel, auch ungezäumt und nur mit einem Riemenhalfter versehen. In dieser
Weitere Kostenlose Bücher