Der Schatz von Blackhope Hall
Pamela zu uns und beklagte sich, weil sie so wenig Geld besaß. Sie behauptete, die St. Legers hätten sie betrogen. Nach allem, was sie für ihren Ehemann getan habe, sei sie eine arme Witwe, völlig mittellos und vom Wohlwollen des jetzigen Earl abhängig."
"Mittellos?" wiederholte Lady Eleanor ärgerlich. "Roderick hinterließ ihr eine beträchtliche Summe – alles, was nicht zu Stephens Erbe gehörte. Mehr durfte sie nicht erwarten."
"Sie erklärte, sie sei bestraft worden, weil sie keine Kinder zur Welt gebracht habe. Und dann redete sie in einem fort von dieser Kassette."
"Vom Märtyrerschatz?" fragte Olivia.
Irina nickte. "Meiner Mutter genügten die Geschenke, die sie von Lady St. Leger bekam. Und sie freute sich natürlich, als sie nach Blackhope eingeladen wurde und die Großzügigkeit des Earl genoss. Aber Lady Pamela kannte nur einen einzigen Gedanken – sie wollte den Schatz für sich gewinnen. Dauernd sprach sie davon und erzählte uns, ihr Mann habe ihr die Juwelen vorenthalten und sich bis zuletzt geweigert, ihr zu zeigen, wie man zum Versteck der Kassette gelangen könnte. Deshalb schmiedete sie einen Plan, um Ihnen den Goldschmuck zu entlocken, Mylord. Sie glaubte, selbst wenn Sie uns die Schatulle nicht geben wollten, würden Sie sich letzten Endes doch dazu entschließen – Ihrer Mutter zuliebe, die Ihrem verstorbenen Bruder zur ewigen Ruhe verhelfen möchte. Und Lady Pamela meinte, wenn wir das Kästchen immer wieder erwähnen, würden Sie eines Tages wenigstens danach sehen. Ihren Ehemann hatte sie nie beobachten können, wenn er zu dem geheimen Raum gegangen war. Nun nahm sie sich vor, Sie im Auge zu behalten, Mylord, und …"
"Und mit anzusehen, wie ich die verborgene Tür öffne!" rief Stephen und wandte sich Olivia zu. "Ja, das muss sie getan haben. Als ich mit Ihnen die Kammer aufsuchte, folgte sie uns, Lady Olivia. Dabei prägte sie sich ein, wie der Mechanismus der Tür funktioniert. Und wir haben sie nicht bemerkt."
"Oh, ich hätte mir denken können, dass sie irgendetwas im Schilde führte!" stieß Irina voller Bitterkeit hervor. "An den letzten Tagen trug sie diese selbstgefällige Miene zur Schau. Offenbar hatte sie die Kassette gefunden und uns nicht eingeweiht – weil sie alles für sich behalten wollte."
"Und dann wurde sie von jemandem am Diebstahl gehindert", ergänzte Olivia leise.
"Nicht von mir, Mylady!" beteuerte Irina erschrocken. "Ich wusste doch gar nicht, dass sie die Schatulle entdeckt hatte – geschweige denn, zu entwenden plante."
"Das glaube ich Ihnen sogar, Miss Valenskaya", sagte Stephen. "Wahrscheinlich ist Ihre Mutter meiner Schwägerin nachgeschlichen."
"Mama? Oh nein!" Unglücklich schlang Irina die Finger ineinander. "Das verstehen Sie nicht, Mylord. Es ist unmöglich. Niemals wäre meine Mutter fähig …" Sie verstummte und sah sich unsicher um. Dann straffte sie die Schultern, reckte ihr Kinn hoch und ballte die Hände. "Niemanden hat sie getötet", zischte sie herausfordernd. "Etwas Furchtbares ist ihr zugestoßen. Daran gibt es keinen Zweifel!"
Plötzlich brach sie in heftiges Schluchzen aus und stürmte aus dem Salon.
Stephen schaute ihr sekundenlang nach, bevor er sich zu Lady St. Leger umdrehte. "Tut mir Leid, Mutter."
"Wie dumm ich war …", flüsterte sie, den Tränen nahe.
"Keineswegs." Tröstend legte Olivia ihr einen Arm um die Schultern. "Viele arglose Menschen lassen sich von betrügerischen Medien täuschen."
"Und ich dachte, Roddy würde wirklich mit mir reden." Lady Eleanors Lippen bebten. "Das wünschte ich mir so inbrünstig, dass ich daran glaubte." Bedrückt blickte sie zu ihrem Sohn auf. "Du hast versucht, mir die Wahrheit vor Augen zu führen. Und ich wollte nicht auf dich hören. Auch Sie taten Ihr Bestes, um mich zur Vernunft zu bringen … Und jetzt ist meine Schwiegertochter gestorben – nur weil ich diese Leute hierher eingeladen habe."
"An Pamelas Tod trifft dich keine Schuld", erklärte Stephen in energischem Ton. "Ihre Habgier wurde ihr zum Verhängnis. Wer sie ermordet hat, weiß ich nicht. Aber ich bin mir sicher, womit ihr gewaltsames Ende zusammenhängt – mit ihrem Versuch, den Märtyrerschatz zu stehlen."
"Trotzdem bereue ich, dass ich Madame Valenskaya um ihren Besuch auf Blackhope gebeten habe", seufzte Lady St. Leger und stand langsam auf. "Jetzt werde ich mich in mein Zimmer zurückziehen."
"Darf ich Ihnen helfen?" Olivia begleitete sie zur Tür.
"Danke, meine Liebe, Sie sind sehr freundlich."
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