Der Schatz von Blackhope Hall
Lady St. Leger aufgeregt und kämpfte mit den Tränen. "Bist du da?"
"Ja, Mama."
"Oh Darling!" Krampfhaft unterdrückte Lady St. Leger ein Schluchzen.
"Warum bist du hier?" fragte Pamela frostig. "Was suchst du?"
"Frieden", erwiderte die Stimme und seufzte tief auf. "Ich kann nicht rasten. Hier findet niemand von uns seine Ruhe."
"Was sollen wir tun?" erkundigte sich Lady St. Leger flehend. "Können wir dir helfen?"
"In diesen Mauern wird erst Friede herrschen, wenn die Märtyrer ihre ewige Ruhe gefunden haben", erklärte die gespenstische Stimme.
"Die Märtyrer?" wiederholte Belinda bestürzt.
Olivia hatte keine Ahnung, wovon sie redeten. Doch sie spürte die angespannte Atmosphäre, die den Raum erfüllte.
"Was meinst du, Roddy?" erkundigte sich Lady St. Leger verwirrt.
"Nachdem sie misshandelt, bestohlen und ermordet wurden, müssen wir unentwegt umherwandern."
"Nein, Roddy!" klagte Lady St. Leger. "Damit hatten wir nichts zu tun …"
"Kein Frieden, keine Ruhe …" Die Stimme erstarb.
"Geh nicht weg, Roddy!" flehte Lady St. Leger erschrocken. "Oh, bitte, komm zurück!"
Düsteres Schweigen folgte ihren Worten, nur von ihrem Schluchzen durchbrochen. Am Kopfende des Tisches bewegte sich Madame Valenskaya und stöhnte. "Was … was ist geschehen?" fragte sie scheinbar benommen.
Irina entzündete die Lampe und drehte sie etwas hinunter. Nur die Gesichter rings um den Tisch erschienen in einem unheimlichen Spiel aus Licht und Schatten, der restliche Raum blieb im Dunkeln. Olivia beobachtete die Reaktionen aller Anwesenden. Melodramatisch erwachte Madame Valenskaya aus ihrer Trance. Rechts und links von ihr bekundeten ihre Tochter und Mr. Babington ehrfürchtiges Staunen. Lady St. Leger weinte leise in ihr Taschentuch. Pamela und Belinda blinzelten verwirrt. Und Stephen runzelte wütend die Stirn.
Wieder einmal fragte das Medium nach den Ereignissen, und Irina erzählte, was "Roddy" gesagt hatte.
"Tut mir Leid", entschuldigte sich Mr. Babington zaghaft, "das verstehe ich nicht. Wen meinte er mit den Märtyrern?"
Nachdenklich starrte Madame Valenskaya vor sich hin. "Das wüsste ich auch gern."
"Vor langer Zeit ließ König Heinrich VIII. der Familie, die hier lebte, die Köpfe abhacken", berichtete Belinda.
Gellend schrie das Medium auf.
"Diese Leute starben für ihren Glauben", fuhr Belinda fort. "Deshalb wurden sie Märtyrer genannt. An ihre Namen erinnere ich mich nicht."
"Scorhill", erklärte Stephen. "Wie lange sie Blackhope Hall besaßen, weiß ich nicht – jedenfalls über mehrere Generationen hinweg. In König Heinrichs Ära weigerten sie sich, ihr Glaubensbekenntnis zu wechseln."
"Wie Thomas Morus", warf Olivia ein.
"Ja, aber sie waren nicht so berühmt. Die Krone konfiszierte ihre Ländereien und verurteilte sie wegen Hochverrats zum Tode."
"Eine ganze Familie?" flüsterte sie erschüttert.
"Vater und Mutter, zwei erwachsene Söhne. Falls irgendwelche Angehörige überlebt haben, kann ich nicht sagen, was aus ihnen geworden ist."
"Wie grauenhaft …"
Stephen nickte. "Natürlich behielt der König das Land für sich. Zu Zeiten von Königin Elisabeth I. wurde es unserem Ahnherrn übertragen, zusammen mit dem Titel des ersten Earl of St. Leger. Er war ein Freibeuter, der seiner Königin eine ganze Menge spanisches Gold einbrachte. Dafür belohnte sie ihn mit Blackhope."
"Also trifft uns keine Schuld am Schicksal der Märtyrer", betonte Lady Eleanor, die Augen immer noch voller Tränen, und betupfte ihre Lider mit einem Taschentuch. "Warum quälen sie Roderick? Er hat nichts verbrochen."
"Davon bin ich fest überzeugt." Teilnahmsvoll berührte Olivia die Hand der unglücklichen Frau.
"Oh, es ist so grausam."
"Allerdings." Olivia schaute das Medium durchdringend an. "Aber es wird ein Ende finden. Das verspreche ich Ihnen, Lady Eleanor."
"Es ist tatsächlich grausam." Etwas später wanderte sie in Stephens Arbeitsraum auf und ab. Hierher hatten sie sich nach der Séance zurückgezogen, während die anderen in ihre Zimmer gegangen waren. "Unfassbar, wie herzlos das Medium und seine Helfershelfer Lady St. Legers Kummer ausnutzen! Und was hoffen sie mit diesem Gerede über die Märtyrer zu gewinnen?"
"Geld." Auch Stephen setzte sich nicht, zu aufgewühlt nach den Geschehnissen des Abends. "Vielleicht werden sie sich erbieten, den lästigen Spuk für ein großzügiges Honorar zu vertreiben. Oder sie glauben, ich würde sie bezahlen, damit sie sich in Zukunft von meiner Mutter fern
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